Meteor
Tiefe tobte ein blutroter Wirbelsturm.
»Das ist der Megaplume«, sagte Tolland.
»Sieht aus wie ein Unterwassertornado«, meinte Corky.
»Es funktioniert auch nach dem gleichen Prinzip. Das Meerwasser ist am Grund normalerweise kälter und dichter, aber hier kehren sich die Verhältnisse um. Das Tiefenwasser wird aufgeheizt und somit leichter und schraubt sich als warmer Wirbel zur Oberfläche. Das kältere Oberflächenwasser ist schwerer, rauscht in einem riesigen spiralförmigen Wirbel außen herum nach unten und füllt das Ganze wieder auf.
Auf diese Weise entstehen diese gigantischen Whirlpools im Ozean.«
»Was ist das für eine Beule auf dem Grund?«, fragte Corky. Er deutete auf eine kuppelförmige Erhebung, die wie eine Blase direkt unter dem Wirbel aus dem Meeresgrund ragte.
»Das ist der Magmadom«, sagte Tolland. »Hier wird Magma aus der Erde hochgepresst bis unter den Meeresboden.«
Corky nickte. »Wie ein riesiger Pickel.«
»Gewissermaßen.«
»Und wenn er platzt?«
Tolland legte die Stirn in Falten. Er erinnerte sich an das berühmte Megaplume-Ereignis von 1986 vor der Juan-de-Fuca-Schwelle, wo auf einen Schlag Tausende Tonnen von zwölfhundert Grad heißem Magma in den Ozean gespien worden waren und die Intensität des Megaplumes sich im Handumdrehen vervielfacht hatte. Während der heiße Wirbel nach oben hochkochte, hatte sich die Oberflächenströmung rapide beschleunigt. Tolland hatte nicht vor, Rachel und Corky in dieser Nacht noch zu verraten, was dann geschehen war.
»Die atlantischen Magmadome platzen nie«, sagte Tolland.
»Das nachströmende Kaltwasser kühlt die Delle und erhärtet die Erdkruste. Über dem Magma liegt stets ein dicker Deckel aus festem Gestein. Das Magma kühlt allmählich ab, und die Wasserspirale verschwindet wieder. Megaplumes sind im Allgemeinen nicht gefährlich.«
Corky deutete auf eine abgegriffene Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Scientific American vom Februar 1999, die neben dem Computer lag und offensichtlich aus dem Zeitschriftenarchiv der Goya stammte. »Du behauptest also, der Scientific American bringt Romane unters Volk?«
Tolland sah das Cover und zuckte zusammen. Auf dem Titelbild war ein Supertanker abgebildet, der wie ein Spielzeug in einen gewaltigen Wassertrichter kippte, darunter die Schlagzeile
»MEGAPLUMES – KILLER AUS DER TIEFSEE?«
Tolland versuchte die Sache herunterzuspielen. »Für uns hier ist das völlig ohne Bedeutung. In diesem Artikel geht es um Megaplumes in Erdbebenzonen. Vor einigen Jahren war das eine populäre Hypothese für das Verschwinden der Schiffe im Bermudadreieck. Falls es zufällig gerade jetzt ein kataklysmisches Ereignis auf dem Meeresgrund geben sollte, wovon in der hiesigen Region noch nie etwas bekannt geworden ist, wäre es denkbar, dass der Magmadom platzt, und dann könnte der Wirbel vielleicht eine Größe erreichen, dass er… na, du weißt schon.«
»Nein, ich weiß nicht«, sagte Corky.
Tolland hob die Schultern. »… dass er zur Oberfläche durchbricht.«
»Prächtig. Da bin ich aber froh, dass du uns an Bord geholt hast.«
Xavia kam mit einem Packen Papiere unter dem Arm zurück.
»Ihr bewundert den Megaplume?«
»O ja«, meinte Corky. »Mike hat uns gerade erklärt, wie wir alle im Ausguss verschwinden, wenn dieser Magmadom platzt.«
»Im Ausguss?« Xavia lachte verächtlich auf. »Eher in der größten Klospülung der Welt!«
Draußen auf Deck der Goya beobachtete der Hubschrauberpilot wachsam den Radarschirm. Als Rettungspilot hatte er genügend Menschen in Angst erlebt, und Rachel war eindeutig von Furcht getrieben, als sie ihn gebeten hatte, nach ungebetenen Besuchern der Goya Ausschau zu halten.
Was für Besucher?, dachte er. Zehn Meilen im Umkreis sah alles ganz normal aus. Acht Meilen entfernt ein Fischerboot, gelegentlich ein Flugzeug, das mit unbekanntem Ziel durch die Peripherie des Radarfelds huschte.
Der Pilot seufzte. Er blickte aufs Meer, das am Schiff vorbeirauschte – ein gespenstisches Gefühl, als würde man volle Fahrt voraus laufen, und dabei lag das Schiff vor Anker.
Wachsam beobachtete der Pilot wieder den Radarschirm.
104
Tolland hatte inzwischen Xavia und Rachel miteinander bekannt gemacht. Die Geologin war von Tollands hochrangiger Reisebegleitung, die vor ihr im Hydrolab stand, keineswegs unbeeindruckt, und Rachels Drängen, die Tests schleunigst durchzuziehen und umgehend wieder vom Schiff zu verschwinden, trug ebenfalls wenig zu Xavias
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