Meteor
dass kaum jemand über die Entstehung von Chondren in dieser Region im Bilde war.
Xavia las weiter. »›Das Zusammenwirken von hydrostatischem und tektonischem Druck müsste dem Krustengestein einen elastischen oder zähflüssigen Zustand aufzwingen können, bei dem die Möglichkeit besteht, dass leichtere Elemente chondrenartige Strukturen annehmen, wie sie sonst nur im Weltraum gebildet werden können. ‹«
Corky verdrehte die Augen. »Alles Quatsch.«
Tolland schaute ihn an. »Corky, wie sollte man denn sonst die Chondren in dem von Dr. Pollock gefundenen Stein erklären?«
»Ganz einfach«, sagte Corky. »Pollock hat einen Meteoriten gefunden. Es fallen andauernd Meteoriten ins Meer. Es braucht Pollock gar nicht aufgefallen zu sein, dass er einen Meteoriten gefunden hat. Die Schmelzrinde kann vom langen Liegen im Wasser längst zerstört worden sein; dann sieht alles wie ganz normales Gestein aus.« Er wandte sich an Xavia. »Ich glaube nicht, dass Pollock so klug war, den Nickelgehalt zu bestimmen, oder?«
»Doch, war er!«, gab Xavia zurück. »Er schreibt: ›Es überraschte mich, dass der Nickelgehalt meiner Probe in einen mittleren Bereich fiel, wie wir es bei irdischem Gestein üblicherweise nicht beobachten‹.«
Tolland und Rachel sahen einander irritiert an.
Xavia las weiter. »›Der Nickelanteil entspricht nicht genau dem bei meteoritischem Ursprung zu erwartenden Mittelwert, verfehlt dieses Fenster allerdings nur überraschend knapp. ‹«
»Wie knapp denn.7«, wollte Rachel wissen. »Wäre es möglich, diesen ozeanischen Brocken als Meteoriten durchgehen zu lassen?«
Xavia schüttelte den Kopf. »Ich bin keine Mineralogin, aber soviel ich weiß, bestehen zwischen Meteoritengestein und dem von Pollock gefundenen Stein zahlreiche chemische Unterschiede.«
»Und welche?«, fragte Tolland.
Xavia blickte wieder in ihre Aufzeichnungen. »Hier steht, dass ein Unterschied die chemische Zusammensetzung der Chondren selbst betrifft. Anscheinend hat das Verhältnis von Titan zu Zirkonium einen anderen Wert. In den Chondren der Tiefseeprobe liegt der Zirkoniumanteil in einem kaum noch nennenswerten Bereich. Nur zwei Teile pro Million.«
»Zwei ppM?«, sagte Corky staunend. »Bei Meteoriten ist es tausendmal so viel!«
»Eben!«, meinte Xavia. »Deshalb ist Pollock ja auch nicht davon ausgegangen, dass seine Probe mit den Chondren aus dem Weltraum stammt.«
Tolland beugte sich zu Corky hinab. »Hat die NASA zufällig das Verhältnis von Titan zu Zirkonium in dem Brocken vom Milne-Schelf bestimmt?«
»Natürlich nicht«, entrüstete sich Corky. »Kein vernünftiger Mensch würde diesen Wert bestimmen. Das ist so, als hätte man ein Auto vor sich und würde den Gummigehalt der Reifen bestimmen, um zu beweisen, dass es ein Auto ist!«
Tolland seufzte. Er blickte Xavia an. »Wenn wir dir eine Gesteinsprobe mit Chondren geben würden – hättest du dann einen Test auf Lager, mit dem du eindeutig sagen könntest, ob es meteoritische Chondren sind oder diese Dinger, von denen Pollock gesprochen hat?«
»Ich glaube schon«, sagte Xavia. »Die Genauigkeit unseres Elektronenmikroskops dürfte ausreichen. Warum fragst du?«
Tolland schaute Corky an. »Gib es ihr.«
Zögernd zog Corky die Meteoritengesteinsprobe aus der Tasche und hielt sie Xavia hin. Stirnrunzelnd nahm Xavia die Steinscheibe in die Hand. Sie betrachtete die Schmelzrinde und das im Stein eingebettete Fossil. »Mein Gott!«, rief sie aus, »das ist doch nicht eine Probe von dem…«
»Doch«, sagte Tolland. »Leider.«
105
Gabrielle stand am Fenster ihres verlassenen Büros und überlegte, was sie tun sollte. Es war noch keine Stunde her, dass sie das NASA-Gebäude verlassen und sich darauf gefreut hatte, dem Senator von Chris Harpers Schwindelei über den PODS-Satelliten berichten zu können.
Doch ihr Eifer war verflogen.
Yolanda zufolge hatten zwei unabhängige Journalisten der ABC den Senator im Verdacht, von der SFF Schmiergelder zu kassieren. Außerdem hatte sie soeben in Erfahrung gebracht, dass Sexton von ihrem heimlichen Aufenthalt in seiner Wohnung während des Treffens mit den SFF-Leuten erfahren hatte – aber warum hatte er es ihr gegenüber nicht erwähnt?«
Das Taxi war längst wieder abgefahren. Gabrielle hätte zwar jederzeit ein anderes rufen können, aber es gab etwas, das sie zuerst tun musste.
Soll ich es wirklich riskieren?
Sie hatte keine andere Wahl. Sie musste es wagen, denn sie wusste nicht mehr, wem
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