Meteor
hielten sich aneinander fest, während der Pilot die Maschine stabilisierte und in einer tiefen Kurve über die Goya hinwegzog. Sie sahen William Pickering – den Quäker – in schwarzem Mantel und Krawatte an der obersten Reling des dem Untergang geweihten Schiffes knien.
Als das Heck der Goya über die Kante des riesigen Trichters kippte, riss das Ankertau. Den Bug in die Höhe gereckt, glitt das Schiff rückwärts über die wässrige Schwelle und begann eine steile Fahrt die rotierende Wasserwand hinab, bis es vom Meeresstrudel verschluckt wurde. Als die Goya im Wasser verschwand, brannten ihre Lichter noch immer.
130
Der Morgen in Washington war frisch und klar. Die Brise fegte einen Blätterwirbel um das Fundament des Washington Monument. Normalerweise erwachte der größte Obelisk der Welt angesichts seines friedlichen Spiegelbilds im Teich der Mall, doch der heutige Morgen hatte ihm ein Getümmel emsiger Journalisten beschert, die sich aufgeregt und gespannt vor seinem Sockel drängten.
Als Senator Sedgewick Sexton aus seiner Limousine stieg und zum Podium schritt, das für ihn am Fuß des Denkmals aufgebaut worden war, kam er sich größer und bedeutender vor als George Washington selbst. Er hatte die zehn größten Fernsehsender der Nation eingeladen und ihnen den Skandal des Jahrzehnts versprochen.
Die Geier wittern das Aas, dachte Sexton.
Er trug den Stapel der zehn weißen, mit seinem eleganten wächsernen Monogrammsiegel versehenen Umschläge vor sich her. Wenn Information Macht bedeutete, hielt Sexton einen Atomsprengkopf in Händen.
Wie im Rausch schritt er zum Podium. Erfreut stellte er fest, dass zur Ausstattung der improvisierten Bühne auch drei »Fame Frames« gehörten – große, frei stehende Stellwände aus marineblauem Tuch im Hintergrund und rechts und links vom Rednerpult. Es war ein alter Trick aus dem Repertoire von Ronald Reagan, der dafür sorgte, dass der Redner sich deutlich und vorteilhaft abhob.
Sexton stieg von rechts aufs Podium. Wie ein Schauspieler trat er aus der Gasse auf die Bühne. Die Journalisten nahmen eilig Platz auf den Reihen der vor dem Podium aufgestellten Klappstühle. In diesem Moment erhob sich im Osten die Sonne über der Kuppel des Kapitols. Ihre rosa und goldenen Strahlen tauchten Sexton in ein himmlisches Licht.
Genau der richtige Tag, um der mächtigste Mann der Welt zu werden.
»Guten Morgen, meine Damen und Herren«, sagte Sexton und legte die Umschläge auf das Rednerpult vor sich. »Ich werde die Sache so kurz wie möglich machen. Was ich Ihnen bekannt zu geben habe, ist leider nicht erfreulich. Diese Umschläge, die ich Ihnen gleich übergeben werde, enthalten den Beweis für einen infamen Schwindel auf höchster Ebene unserer Regierung. Es bedrückt mich, dass mich der Präsident vor einer halben Stunde angerufen und angebettelt hat – jawohl, angebettelt –, mit diesem Material nicht an die Öffentlichkeit zu gehen.« Sexton schüttelte betrübt den Kopf. »Aber ich bin ein Mann der Wahrheit, so bitter diese manchmal auch sein mag.«
Sexton verstummte und hielt den Reportern die verlockenden weißen Umschläge vor die Nase wie einer Meute Hunde, die mit dem Geruch der Beute scharf gemacht werden soll.
Der Präsident hatte Sexton vor einer halben Stunde angerufen und die Lage erklärt, nachdem er zuvor mit Rachel gesprochen hatte, die an Bord eines Flugzeugs in Sicherheit war. Das Weiße Haus und die NASA schienen tatsächlich unschuldige Nebenfiguren jener Katastrophe zu sein, zu der sich ein von William Pickering ausgeheckter Plan entwickelt hatte.
Aber das kann mir egal sein, dachte Sexton. Zach Herney wird so oder so gewaltig auf die Nase fallen.
Sexton hätte gern im Weißen Haus Mäuschen gespielt und Herneys dummes Gesicht gesehen, wenn ihm klar wurde, dass Sexton die Katze aus dem Sack ließ. Sexton hatte mit Herney für eben diese Stunde ein Treffen vereinbart, um gemeinsam zu besprechen, wie man die Wahrheit über den gefälschten Meteoriten am besten an die Nation herantragen könnte. Vermutlich stand Herney in diesem Moment sprachlos vor Schreck vor dem Fernseher, unfähig, dem Rad des Schicksals in die Speichen zu greifen.
»Liebe Freunde«, sagte Sexton und suchte wie immer Blickkontakt mit seinen Zuhörern und Zuhörerinnen, »ich habe mir die Entscheidung nicht leicht gemacht. Ich habe mit dem Gedanken gespielt, dem Wunsch des Präsidenten nachzukommen, der dieses Material geheim halten wollte, aber ich kann meine
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