Meteor
Sekretärin hob den Blick. »Mit Ihrem gesamten Stab? Mit allen einhundertfünfundvierzig Personen?«
»So ist es. Um sechzehn Uhr.«
Die Sekretärin nickte, als hätte sie es mit einem Geistesgestörten zu tun. »Wie Sie wünschen, Sir. Und dabei geht es um…?«
»Ich werde heute Abend mit einer wichtigen Erklärung vor das amerikanische Volk treten, aber ich möchte, dass meine Mitarbeiter vorher schon im Bilde sind.«
Ein mutloses Lächeln huschte über das Gesicht der Sekretärin, beinahe so, als hätte sie diesen Augenblick insgeheim längst befürchtet. Sie senkte die Stimme. »Sir, Sie wollen aus dem Rennen aussteigen?«
Herney lachte schallend. »Zum Teufel, nein, Dolores. Jetzt geht’s erst richtig los!«
Sie schaute ihn zweifelnd an. In sämtlichen Medienberichten hatte es geheißen, dass Präsident Herney das Handtuch werfen wolle.
Herney blinzelte ihr aufmunternd zu. »Dolores, Sie haben in den vergangenen Jahren fantastische Arbeit für mich geleistet, und Sie werden die nächsten vier Jahre genauso fantastisch für mich arbeiten. Wir behalten das Weiße Haus, das schwöre ich Ihnen.«
Die Sekretärin schaute ihn an, als würde sie es gerne glauben.
»Gut, Sir. Konferenz um sechzehn Uhr.«
Als Zach Herney das Oval Office betrat, musste er unwillkürlich über das Gedränge seiner Mitarbeiter lächeln, die sich allesamt in sein enges Amtsbüro gequetscht hatten.
Dieses großartige Büro hatte im Lauf der Jahre manche scherzhafte Bezeichnungen getragen – das Klo, Dicks Mördergrube, Clintons Schlafzimmer –, doch Herney gefiel »Hummerfalle« am besten. Die Bezeichnung passte wie die Faust aufs Auge. Jeder, der das Büro zum ersten Mal betrat, hatte mit sofortiger Orientierungslosigkeit zu kämpfen. Die Symmetrie des Raumes, die sanft geschwungenen Wände, die diskret verborgenen Ein- und Ausgänge erzeugten beim Besucher das Gefühl, wie beim Blindekuhspiel mit verbundenen Augen ein paar Mal um die eigene Achse gedreht worden zu sein. Würdenträger, die zu Besuch gekommen waren, standen nach einem Gespräch oft auf, schüttelten dem Präsidenten die Hand und marschierten schnurstracks in eine Abstellkammer. Je nach Verlauf des Gesprächs pflegte Herney den Gast entweder rechtzeitig auf seinen Irrtum aufmerksam zu machen, oder amüsiert zuzuschauen, wie er sich blamierte.
Herney hatte den farbenfrohen amerikanischen Wappenadler, der in den ovalen Teppich des Raumes eingewebt war, stets für das eindrucksvollste Stück des Oval Office gehalten. Die rechte Klaue des Adlers hielt einen Olivenzweig, in der linken steckte ein Bündel Pfeile. Nur wenigen im Weißen Haus war bekannt, dass der Adler in Friedenszeiten nach rechts blickte – zum Ölzweig, in Kriegszeiten jedoch nach links zu den Pfeilen. Der Mechanismus, der dies bewirkte, war bei den Mitarbeitern und Angestellten des Weißen Hauses Gegenstand vieler Spekulationen, denn traditionell wurden nur der Präsident und der Chef der Hausverwaltung in das Geheimnis eingeweiht. Die Wahrheit über den rätselhaften Adler war enttäuschend prosaisch, wie Herney feststellen musste. Im Bedarfsfall wurde der Teppich einfach nachts vom Personal gegen einen zweiten ausgetauscht, der im Keller lagerte.
Herney betrachtete den friedlich nach rechts blickenden Adler und lächelte. Vielleicht sollte er angesichts des kleinen Krieges, den er Senator Sedgewick Sexton zu erklären im Begriff war, die Teppiche austauschen.
15
Die U.S. Delta Force ist eine Einzelkämpfereinheit, deren Einsätze eine vom Präsidenten garantierte absolute Immunität vor dem Gesetz genießen.
Die »Presidential Decision Direktive 25«, eine Ausführungsdirektive des Präsidenten, garantiert den Kämpfern der Delta Force »Freiheit vor jeglicher Verfolgung durch das Gesetz«. Sie sind handverlesene Mitglieder der Sondereinheit »Combat Applications Group« (CAG), einer geheimen Organisation innerhalb des Kommandos für Spezialoperationen, das in Fort Bragg in North Carolina stationiert ist. Die Kämpfer der Delta Force sind ausgebildete Killer, Experten für verdeckte Operationen, Geiselbefreiungen, Überraschungsschläge und die Ausschaltung geheimer gegnerischer Kräfte.
Da die Einsätze der Delta Force gewöhnlich unter strengster Geheimhaltung stattfinden, wird die übliche aufgefächerte Kommandostruktur meist zu Gunsten einer »Mannführung« umgangen, bei der ein einzelner Kommandoführer – in der Regel ranghohe militärische oder regierungsamtliche
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