Metropolis brennt
nur mit Funkausweis durch, und ich hab so’n Ding eben nicht. Keiner von uns hat so’n Ding. Jeder von uns Armleuchtern hier unten weiß doch, was die Dealer für ’nen Funkausweis verlangen. Das kann man in zwei Leben nicht bezahlen.“
Zelter hockt sich hin und wirft jetzt zum ersten Mal einen Blick auf das Videogerät, wo gerade der Förster vom Silberwald im Rahmen der Oldies but Goldies- Reihe läuft und milder Wind das Laub eines Haines aus den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts zum Rascheln bringt.
Pike spuckt aus. „Dann mach doch die Augen zu, wenn dir unsere Gesichter nicht passen. Du gehst mir auf die Nerven. Hau doch ab. Steig doch rauf zum Hang und klopf an das Tor. Vielleicht schmeißen die dir ’ne Pinkel-Schnalle über die Mauer, nur um dich loszuwerden.“
Zelter ist beleidigt. Das sagt er auch laut und deutlich. Tod, Gorch und Pike hören seinem Gezeter eine Weile zu, bis Pike schließlich ihr rostfreies Brotmesser zur Hand nimmt und eine bezeichnende Geste macht. Der sanfte Wink wird verstanden, und Zelter entfernt sich leise schimpfend. Mit hochgezogenen Schultern und die Hände in den Taschen schlendert er hinüber zur Ruine des Versicherungsgebäudes, zu den Frauen, die breite Fleischstreifen von dem Hundebraten abschneiden und sich über die Bewohner des nahen Müllcontainers lustig machen, aus dem noch immer Stöhnen und Ächzen dringt.
Die lärmende Musik aus Zelters Fahrerhaus reißt unvermittelt ab. Radio Eisfreies Grönland verbreitet die neuesten Nachrichten über die feinen Pinkel, die hinter ihrer elektronischen Mauer hocken, entlang der Berghänge über dem Tal residieren und das Treiben der zwielichtigen Prols in den Trümmerstraßen mit leisem Grausen verfolgen. Von den Türmen aus, von denen manchmal in der Nacht erstickte Schreie erklingen.
Mit halbem Ohr hört Pike zu, welche neuen Teufeleien die Pinkel ausgebrütet haben, und sieht im Video, daß der Förster und sein großbusiges Maderl im Dirndlkleid dem Happy-End zusteuern.
„Den Förster “, sagt Tod irritiert, „hat’s diese Woche doch schon fünfmal gegeben. Himmel, neunzig Prozent dieses miesen Programms besteht aus Wiederholungen. Wenn ich Gebührenzahler wäre, würde ich mich glatt schwarz ärgern.“
Gorch schluckt zwei Kubikzentimeter Schnaps hinunter. „So kannst du dich als Schwarzseher immerhin gebührend freuen.“
Drüben am Versicherungsgebäude entwickelt sich zwischen Zelter und den Frauen ein heftiger Streit. Das Stöhnen aus dem Müllcontainer, in dem sich eine aus der Lüneburger Heide vertriebene Landkommune breitmacht, hat nachgelassen. Pike wird alles so langsam zu bunt. Als sich Tod und Gorch über die fragwürdigen Vorzüge von Mutantenhühnern zu unterhalten beginnen und Tod schließlich verdrossen das Standardwerk zu diesem Thema – Hahns Mutation und Hühnerhaltung – aus seinem Bierfaß hervorkramt, streift Pike ihre Sandaletten über und verschwindet vom Wupperufer.
In der Ferne zieht sich ein dünnes graues Band über den Horizont. Bald wird es hell werden. Selbst hier tief unten im Tal.
Temperatur und Luftdruck am Nordpol von Io sind unverändert. Eine Wolke aus Schwefeldioxyd hängt hoch über dem Kaiser-Wilhelm-Vulkan. Sie sieht aus wie ein Regenschirm. In einer Mulde am Fuß des Kraters hat sich ein See aus schwefliger Lava gebildet. Das Wetter ist gut. Weder mit Wind noch mit Regen oder Hagel ist zu rechnen. Ein wohltuend beständiges Klima. Allerdings ohne Nutzen für die abgeschnittenen Pioniere von der Raumfahrtbehörde.
Im Ostteil der Basis Prinz von Humbuck findet unter dem Beifall der Radioastronomen und des berauschten Wartungspersonals eine Versteigerung statt. Die pornografische
Weitere Kostenlose Bücher