Metropolis brennt
plötzlicher Betriebsamkeit. Eine Ungeduld schwingt in Bienes Bewegungen mit, die nur zum Teil auf die Entdeckung der wertvollen literarischen Relikte aus der goldenen Vergangenheit zurückzuführen ist. Die Ungeduld gehört zu Bienes Charakter. „Ich schlafe gern mit dir, Pike“, bekräftigt Biene. „Lieber als mit den anderen Prols. Aber du bist immer so verschlossen. So stolz. Fast wie ein Pinkel. Du läßt keinen so leicht an dich ran.“
Pike runzelt die Stirn. „Hör auf mit dem Mist“, entgegnet sie grob, steht auf und streicht ihren Rock glatt. „Du redest wie Videopastor Memmeling. Man merkt, daß du noch neu im Tal bist.“
In der Tat ist Biene erst vor zwölf Jahren, während des Baus der elektronischen Mauer, ins Tal gekommen. Schwarz mit einem Ölcontainer und nach ihrer Entdeckung von den Pinkeln zu den Prols geschafft. Heute macht man sich weniger Mühe. Blinde Passagiere überläßt man den Elektrischen Zöllnern. Ein weiterer Beweis für die Menschenverachtung der feinen Pinkel.
„Gib mir so’n Edelweiß“, bittet Biene, ohne auf Pikes mürrische Zurechtweisung einzugehen. „Ich hab mir mindestens einen von diesen Schmökern verdient. Ich war gut. Findest du nicht, daß ich gut war? Ich hab noch nie gehört, daß sich jemand beklagt hat. Selbst die Dealer waren immer zufrieden, und du weißt ja, was den Dealern so alles in die Hände fallt. Krieg ich nun so’n Schmöker oder nicht?“
Pike gibt ihr einen Edelweißroman.
Der Abschied ist frostig und erinnert an die Kälte, die seit Jahrmillionen Io einhüllt. Biene schlendert pfeifend davon und winkt noch einmal, bevor sie zwischen den Ruinen verschwindet. Pike schiebt die drei anderen historischen Groschenheftchen unter ihre Bluse und schaut sich nach den Rattenjägern um. Der mutierte Rabe beäugt sie interessiert. Die Jäger scheinen tatsächlich weitergezogen zu sein. Pike verspürt Hunger und folgt Bienes Spuren, um ihre Ware bei den Dealern gegen Nahrungsmittel einzutauschen.
Der mutierte Rabe sieht ihr lange nach.
Enttäuschung macht sich unter den feinen Pinkeln breit, die auf dem fernen Aussichtsturm stehen und den Bildschirm des stereoskopischen Fernrohrs nicht aus den Augen lassen. Hier und dort wird eine Hand vorwitzig. Wider Erwarten rührt sich bei den Pinkel-Schnallen kein Widerstand. Erst später stellt sich heraus, daß seit Wochen Aphrodisiaka dem Pfefferminzlikör beigemischt werden. Die Suche nach den Schuldigen wird von höchster Stelle abgeblockt.
Bei gleichbleibendem Luftdruck von einem Zehntel Millibar grassieren Wahnideen unter der mehrfach gesiebten Besatzung der Io-Basis. Der Krieg mit Ganymed ist längst in Vergessenheit geraten. Dafür haben sich die Handelsbeziehungen denkbar gut entwickelt. Neben Whisky und Wodka werden vor allem Kopien der Ruselskyschen Pornosammlung und illegale Drogen verschifft. In ihrem Zorn gegen die Raumfahrtbehörde kennen die schneidigen jungen Kerls von Io keine Grenzen mehr.
Die chronopathischen Halluzinogene zeigen interessante Nebenwirkungen. Kurzfristig kommt es zu einem telepathischen Kontakt zwischen dem Chefchemiker und einer mutierten Ratte. Massive unsittliche Anträge zwingen den Chemiker jedoch zu einem abrupten Abbruch der Beziehungen.
„Für Schwule“, sabbert der Astrogeologe in das Funkgerät, „und solche, die es werden wollen, ist auf Io kein Platz. Wofür haben wir denn die Male -Entspanner? Dennoch, ihr Dreckskerle auf der Erde, dennoch wäre es ein geschickter psychologischer Schachzug, mit der nächsten Versorgungssonde das Defizit an weiblichem Personal auszugleichen. Aber was wißt ihr auf der Erde schon von unseren Sorgen! Seit sich das
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