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Metropolis brennt

Metropolis brennt

Titel: Metropolis brennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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vor Jah­ren über­all. Ein all­ge­gen­wär­ti­ges Gift. Ent­hal­ten in: Farb­stof­fen, La­cken, Kunst­stof­fen, Bat­te­ri­en, Ke­ra­mik, Rost­schutz­mit­teln, Löt­mit­teln, Zahn­plom­ben, Plas­tik­tü­ten. Die Ärz­tin fal­tet die Hän­de. Ih­re Stim­me ist mo­no­ton. Kann kei­nen Trost ge­ben. Nicht bei die­ser Er­kran­kung. Sie hat zu vie­le Cad­mi­um-Kran­ke, zu vie­le Cad­mi­um-To­te ge­se­hen. Ei­sen­er­ze, Koh­le und Erd­öl ent­hal­ten das to­xi­sche Schwer­me­tall eben­falls; im Stahl­werk, im pri­va­ten Haus­halt, im Kraft­werk, in der Müll­ver­bren­nungs­an­la­ge wird un­un­ter­bro­chen Cad­mi­um in die Luft ge­bla­sen – das dar­auf­hin zu ei­nem Groß­teil wie­der zu Bo­den reg­net. Das Gift wird ein­ge­at­met, ver­si­ckert im Bo­den, sam­melt sich in Wei­den und Wie­sen. Über Wei­de­vieh und Grund­was­ser so­wie das eben­falls ver­seuch­te Fluß­was­ser ge­langt das Gift über die Nah­rungs­ket­te in den Men­schen. Es ist über­all. Ein ge­setz­lich vor­ge­schrie­be­ner Im­mis­si­ons­wert exis­tiert bis heu­te nicht, sagt die Ärz­tin, je­doch soll ei­ne ent­spre­chen­de Vor­la­ge in Vor­be­rei­tung sein. In Vor­be­rei­tung. Aus­schüs­se ta­gen. Kon­fe­ren­zen/Kon­fe­ren­zen/Her­ren in Grau, die am grü­nen Tisch über Schach­fi­gu­ren ur­tei­len. Kon­fe­ren­zen. Zu spät. Zu spät. Viel zu spät.
     
    „Wir wis­sen jetzt al­les über dich, Fre­ak“, sag­te ei­ne zu­frie­de­ne Män­ner­stim­me. „Und da­mit bist du er­le­digt. Ab­ge­hakt. Aus dem Spiel aus­ge­schie­den. Merkst du es?“
    Vharn gab den Im­puls, setz­te sich auf und be­merk­te erst jetzt zu sei­ner ei­ge­nen Über­ra­schung, daß er nicht mehr in dem Sil­ber­ge­spinst hing, daß er nicht mehr nackt war. Er trug den Dop­pelp­ne­um-An­zug, der Pro­grav funk­tio­nier­te zu­ver­läs­sig, so­weit er dies im Au­gen­blick fest­stel­len konn­te. Er konn­te sich be­we­gen, konn­te den­ken, han­deln, konn­te …
    Er woll­te sich vor­beu­gen, zu dem ha­ge­ren, blei­chen Mann hin, der hin­ter sei­nem wuch­ti­gen Kunst­holz­schreib­tisch saß und ihn wie ein sel­te­nes In­sekt be­äug­te und schlei­mi­ge Zu­frie­den­heit aus­strahl­te. Er woll­te nach Mir­ja fra­gen, doch dann un­ter­drück­te er die­se Fra­ge, weil er plötz­lich wuß­te, daß er ihr da­mit mehr scha­den als nüt­zen wür­de. Sie wür­den sie nicht frei­las­sen, wenn sie wuß­ten, daß er an ihr hing.
    Aber das wuß­ten sie ja.
    Sie hat­ten ihm sei­ne ge­heims­ten Ge­dan­ken ge­stoh­len. Al­les.
    Der Arzt wisch­te ein Stäub­chen von sei­nem schnee­wei­ßen, fal­ten­lo­sen Kit­tel. „Ich se­he, du bist miß­trau­isch, Fre­ak“, sag­te er.
    Noch im­mer er­wi­der­te Vharn nichts.
    Er­starrt, steif saß er in dem Pneu­mo­ses­sel, der ihn stüt­zend um­gab, saß vor dem wuch­ti­gen, re­spekt­dik­tie­ren­den Schreib­tisch, in ei­nem nüch­ter­nen Bü­ro mit wei­ßen Wän­den. In ei­nem be­nach­bar­ten Bü­ro wa­ren Stim­men zu hö­ren, Te­le­fo­ne klin­gel­ten, Schrei­b­au­to­ma­ten häm­mer­ten. Vharn dach­te: Ich bin wie­der in der Welt der Le­ben­den.
    Er ver­such­te, den Arzt zu son­die­ren. Ver­such­te, die schlei­mi­ge Zu­frie­den­heit sei­nes Ge­gen­übers ge­nau­er zu spü­ren, woll­te sich selbst da­mit gei­ßeln, woll­te sich für sei­ne Aber­wit­zig­keit be­stra­fen. Ei­ne fi­xe Idee. Das Ein­drin­gen in den Stadt­wald. Pro­vo­ka­ti­on ei­nes mäch­ti­gen Staats­ap­pa­ra­tes. Was hat­te er da­mit er­reicht? Was?
    Er konn­te nicht mehr füh­len!
    Vharn stieß einen kräch­zen­den Laut aus, sei­ne Zun­ge kleb­te dick, ge­schwol­len, tro­cken an sei­nem eben­falls pul­ver­tro­ckenen Gau­men.
    Der Arzt lä­chel­te. „Du hast es al­so end­lich be­merkt“, sag­te er ge­nüß­lich. „Nun, dann wol­len wir zu ei­nem En­de kom­men, Fre­ak.
    Hör mir ge­nau zu, denn ich wer­de kein ein­zi­ges Wort wie­der­ho­len.
    Du bist frei. Du kannst ge­hen, wo­hin du willst. Du be­hältst dei­nen Pro­grav und dei­nen Dop­pelp­ne­um-An­zug, al­so kannst du dich bei­lei­be nicht be­kla­gen. Wir sind kei­ne Un­menschen.“ Ein fei­nes, ge­häs­si­ges Lä­cheln

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