Metropolis brennt
erschien auf dem bleichen Gesicht. „Daß du jetzt nicht mehr fühlen kannst, ist einem … äh … bedauerlichen Fehler zuzuschreiben, der uns beim Verhör passiert sein muß, bedauerlich, wirklich.“ Das Lächeln spannte die blutleeren Lippen des Arztes. „Nun, du kannst uns nichts nachweisen, also kümmert es uns nicht. Du bist frei. Geh und zeig dich deinen tapferen Mitstreitern. Den armen Irren und Kranken, die deinetwegen so fleißig demonstriert haben. Es war amüsant. Viele Überstunden für die Polizeikräfte. Mehr nicht.“
„Sie haben nicht nur meinetwegen demonstriert“, preßte Vharn heraus. Seine Stimme war ein Krächzen, jedes Wort fiel ihm schwer, es kam ihm vor, als habe er wochenlang nicht mehr gesprochen.
„Ach ja. Natürlich. Es ging auch um die Sache der Außenseiter, der Freaks. Um die gute Sache. Ein heiliger Kreuzzug, das hätte ich beinahe vergessen. Nun, er hat trotzdem nichts bewirkt. Ihr müßtet es doch langsam begriffen haben.“
„Wie lange …“
Der Mann unterbrach ihn schroff. „Maul halten. Du warst jetzt einen Monat unser Gast, du hast viel Zeit zum Nachdenken gehabt. Ich hoffe, du hast sie genutzt. Du bist frei.“
Er ruckte mit dem Kopf Richtung Tür, die sich hinter Vharns Sessel befinden mußte.
Vharn erhob sich. Der Prograv funktionierte; ein leises, gleichmäßiges Summen ließ ihn fein vibrieren, umhüllte seinen verknoteten Körper.
Die Stimme des Mannes ließ Vharn stehenbleiben.
„Du bist in die schwarze Liste der unangenehm aufgefallenen Personen dieser Stadt aufgenommen, Freak, vergiß das nicht. Deine Eulenspiegelei wird nicht vergessen, auch wenn das im Moment so aussehen mag. Die Leute halten es für einen gelungenen Scherz, sie anerkennen deine Leistung, deinen Mut. Freu dich, Freak, du bist über Nacht zu einer Art Volksheld geworden. Nicht dumm. Ein kluger Schachzug. Wir können dich also nicht einfach nur erledigen.“
Die langen Finger des Mannes spielten mit einem Filzschreiber, der auf dem Schreibtisch lag. Spinnenartig bewegten sich die Finger, liebkosten den Stift, schoben ihn über die Tischplatte, hoben ihn auf, drehten, wendeten ihn.
Und der Mann starrte Vharn an. „Aber es muß schließlich nicht immer ein physisches Erledigen sein, nicht wahr, Freak? Wie fühlst du dich? Gut? Trotz deiner fortgeschrittenen Krankheit? Obwohl du jetzt allein bist, ganz allein – wo du dich so sehr vor dem Alleinsein fürchtest, daß du es nicht einmal dir selbst gegenüber zugibst. Allein, ohne Mirja. Wo mag sie sein, die liebe, selbständige, aufopfernde Mirja? Denk darüber nach. Kein Mensch interessiert sich für sie. Du bist der Held des Tages, sie …“ Er machte eine wegwerfende Geste. „Man kann die Masse manipulieren. Es ist nicht schwer. Wir hätten sogar verhindern können, daß du zum Volkshelden wirst, Freak, aber das wollten wir gar nicht. Wenn die Menge ihren Helden hat, vergißt sie gewisse andere Dinge …“
„Der alte Bezirk des Waldes …“
„Unter anderem, ja. Ich sehe, deine Erinnerung funktioniert schon wieder. Beachtlich, wie schnell du dich erholst. Dann erinnere dich daran, daß du schuldig bist an dem, was Mirja zugestoßen ist, ganz gleich, was ihr zugestoßen ist – du bist der wahre Schuldige daran.“
Nein, dachte Vharn entsetzt. Nein. Sie wollte mitkommen. Sie hat gesagt, es bewirkt etwas, es hat einen Sinn.
„Wenn wir dich ein zweites Mal aufgreifen müssen, wenn du ein zweites Mal unangenehm auffällst, Freak“, fuhr die melodische Stimme des Arztes fort, „dann werden wir keine Rücksicht mehr auf dich nehmen. Entsprechende Vorkehrungen sind getroffen, Freak. Ein kleiner Peilsender in deinem Schädel – irgendwo, irgendwo in deinem Schädel. Wir wissen also jederzeit, wo du dich
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