Metropolis brennt
Horizont. Es war soweit. Mondsturmzeit.
Wütende Stimmen ertönten. Fäuste wurden in den Himmel gestreckt, Waffen angelegt. Bolzen zischten dicht an Maydas Wangen vorbei. Sie hatte Angst. Sie wich weiter zurück, stolperte, fiel zu Boden, kam wieder auf die Beine. Ausläufer der Nebelzone griffen mit Schlierenarmen nach ihr. Die Dunkelheit kam nun schnell. Einige der Außenweltler zündeten Talgfackeln an, und wieder ertönte das Klacken abgefeuerter Bolzen.
Ein finsterer Schatten wuchs vor ihr in die Höhe. Abwehrend streckte sie die Arme von sich.
„Keine Angst“, brummte der Schatten. „Ich bin es, Tscherlan.“ Er nahm das zitternde Bündel in die Arme. „Was hast du nur getan. Was hast du nur getan …“
„Ich war es nicht. Ich …“
„Willst du sie immer noch schützen, Tscherlan?“ rief ein Außenweltler. Sie kamen weiter näher. Die Steuerer hatten sich in ihren Liegemulden aufgerichtet und starrten sie an. Ihre roten Augen schienen in der Dunkelhaut der Außennacht von innen heraus zu erglühen. „Wir alle haben es gespürt, Jäger. Sie ist eine Dunkle. Die Schmerzen, das Gefühl, bei lebendigem Leibe zerquetscht zu werden. Wir alle haben es gespürt. Du mußt sie eliminieren, Tscherlan. Vielleicht kann sie das Böse beschwören.“
Und andere Stimmen: „Die Monde! Sie gehen gemeinsam auf, so wie sie behauptet hat. Sie gehen gemeinsam auf!“
„Töte sie. Töte sie.“
„Ich habe Angst, Tscherlan.“ Mayda fühlte sich schrecklich allein. Auch diese Welt bot ihr keinen Platz. Und dann war da noch das andere in ihr: ein Hauch von Wärme und Zärtlichkeit, der jetzt beständig zunahm und sich mit einer Spur Furcht und rasch zunehmender Besorgnis zu einem Konglomerat aus Nervosität vereinigte. Es war die Stimme des Heims.
Die Außenborke erzitterte. Die Außenweltler hielten erschrocken inne. Einige stürzten.
„Es beginnt.“ Maydas Stimme war nur ein Hauch. Ihre Augen waren halb geschlossen. Die Schlieren der Nebelzone wallten und schienen zu vibrieren. Irgendwo war dumpfes Knistern. „Mondsturmzeit. Es beginnt. Wie es schon einmal begonnen hat. Und wieder sind keine Vorbereitungen getroffen worden. Es gibt nur eine Möglichkeit …“ Tscherlan starrte sie sprachlos an.
„Seht nur! Seht nur!“ riefen die anderen Außenweltler. Die Viellichter glommen nun am Himmel auf. Doch ihr Glanz war matt und wurde von dem Schimmer der sieben nun aufeinander zueilenden Monde überstrahlt. Von Westen her zog eine gewaltige Düsterbank heran.
May da warf die Arme empor. Tscherlan wich unwillkürlich einen Schritt zurück. Mayda sprach mit veränderter Stimme:
„Hört mich an, Außenweltler. Die Mondsturmzeit ist da.“
Stille.
Nur das Wispern des Windes. Und auch diese Stimme verstummte nun. Absolute Ruhe. Das Knacken der Heimaußenborke klang bedrohlich im Schweigen.
„Ich habe euch gewarnt, aber ihr wolltet nicht hören. Sie werden kommen, die Nebelfäden, die Wunden in die Haut des Heims reißen. Sie werden kommen, die Luftbeben, die seine Stabilität beeinträchtigen und zerstören werden. Sie werden kommen, die Wolkensporen, die seinen Körper metamorphieren, so daß ihr ihn nicht wiedererkennt. Sie werden kommen, die vom Vereinigungsmond verursachten Stürme und Himmelsgezeiten. Die Warmspur wird sich verschieben. Die Steuerer werden nicht in der Lage sein, das Heim im Wärmehauch zu halten. Es wird hinabstürzen, dem Tiefen Grund entgegen. Ihr habt den Schmerz gespürt, der nur eine Potentiellerinnerung war. Nicht ich war es, es war die Stimme des Heims. Mondsturmzeit: Das Heim wird sterben. Und wir alle mit ihm.“
„Bringt sie zum Schweigen!“ rief der Contrabitter des Himmelsfalken und schwang mit seinem unverletzten Arm ein Wurfmesser aus geschärften Rochenknochen. „Hört ihr nicht? Sie beschwört den Untergang! Laßt es nicht zu. Bringt sie zum Schweigen.“
Mayda lachte humorlos. Wieder war es die Fremdstimme. „Ich bin eure einzige Chance.“ Sie hob erneut die Arme. „Geht alle an eure Plätze. Bereitet euch vor. Noch haben sich die Monde nicht vereinigt.“ Der Leib des Heims bebte. Einige Außenweltler verloren den Halt. „Es wird schlimmer werden, viel schlimmer. Bereitet euch vor. Besetzt die Zischporen. Sorgt dafür, daß …“
Der Contrabitter schleuderte das Messer. Es traf Mayda in der linken Schulter und bohrte sich tief in ihren Körper. Ein rotes Rinnsal benetzte ihren Leib. Sie stöhnte und taumelte. Tscherlan sprang nach vorn und streckte den
Weitere Kostenlose Bücher