Metropolis brennt
davongeschleudert wie eine Leichtschuppe in einer Sturmbö. Die Winde wurden heftiger. Sie waren Flutwellen, die sich über das Heim ergossen, zerrten, rissen, zerbrachen.
Tscherlan schrie. Er konnte sich kaum noch festhalten. Das Knistern und Knacken aus dem Innern des Heims war ein Geräuschorkan.
Ja, erhob Mayda ihre Ätherische Stimme. Ich bin gekommen.
Die ihr entgegentropfende Zuneigung war nur noch ein Schatten. Sie öffnete ihren Geist. Sie hatte keine Angst mehr. Sie wußte nun endlich, was sie zu tun hatte. Und sie wußte auch, warum sie anders war.
Ihre Gedanken sickerten an den Nervenkanälen des Heims entlang. Sie reaktivierten. Sie verbanden. Sie gaben neue Kraft. Sie knüpften zusammen und stellten die Einheit wieder her. Der Schmerz, den das Heim empfand, vermischte sich mit der Pein ihrer eigenen Wunde. Mayda wußte, daß sie starb. Sie hoffte, ihr blieb noch genug Zeit.
Sie vernahm die verzweifelten Bittrufe der Außenweltsteuerer und -contrabitter. Sie hörte die Stimmen der Heimsprecher und Probitter. Sie faßte die Kraft dieser Bittstimmen zusammen, knetete sie, formte sie und lenkte sie durch die Nervenkanäle eines gewaltigen Körpers. Aufeinander abgestimmte Maßnahmen waren notwendig: Die Zischporen mußten anders justiert, die Schwebstabilität des Heims wiederhergestellt werden. Auswüchse bildeten sich und stülpten sich über verzweifelt nach Halt suchende Menschen. Nahrungsvorräte und Fettpolster wurden energetisch verarbeitet. Neues Wasserstoffgas bildete sich. Mayda – das Heim – leitete es den Zischporen zu, auf daß dem Zorn der Mondstürme begegnet werden konnte. Sie erlaubte den Steuerern, die Poren so auszurichten, daß das Heim wieder an Höhe gewann und in die Mitte der lebenserhaltenden Warmspur zurückkehrte. Die Treibzone war instabil. Immer wieder glitten Kaltböen aus der Tiefe der Himmelsozeane empor und atmeten dem Borkenleib Frost entgegen.
Stunden vergingen.
Und allmählich versiegte die Kraft der Gezeiten. Die Mondsturmböen ließen nach, die Ruhe kehrte zurück, Warmspur und Fluglage des Heims stabilisierten sich. Die Schlieren in der Nebelzone lösten sich auf. Tscherlan hob den Kopf. Weit oben trieben die Monde wieder voneinander fort. Die Mondsturmzeit war zu Ende.
Er blickte auf Mayda. Ihr Gesicht war kalkweiß, und der Atem war leises Zischen.
„Ein Heiler“, sagte er.
„Nein.“ Er konnte sie kaum verstehen. „Dazu ist es zu spät, Tscherlan.“ Sie blickte ihn an, und für ein paar Sekunden kehrte der Glanz in ihre gelben Augen zurück. „Wir haben es überstanden, nicht wahr?“
„Ja, es ist vorbei.“
„Viele sind gestorben. Ich habe es gefühlt. Ich war das Heim.“ Sie hustete. „Es wäre nicht nötig gewesen. Wenn sie auf mich gehört hätten. Wir brauchen das Heim, Tscherlan. Aber das Heim braucht uns genauso. Wir geben ihm Nahrung, wir heilen seine Wunden, wir sind Reinigungsfaktoren im Innern. Das Heim gibt uns Lebensraum und Wärme, einen Platz, an dem wir ausruhen können. Es stellt uns Helfer zur Verfügung und hilft sich damit selbst. Auch ich bin ein Helfer.“
Tscherlan begann zu begreifen. „Ja, ich weiß. Du bist eine Prophetin.“
„Ich weiß nicht, wie es das Heim angestellt hat.“ Sie hustete wieder und atmete schneller. „Ich bin in Innenwelt gezeugt worden. Meine wirkliche Mutter ist das Heim. Ich bin so etwas wie ein Ersatzhirn.“ Sie krümmte sich zusammen. In Tscherlan breitete sich Kälte aus. „Das Heim kennt die Mondsturmzeit. Es ist alt. Es kennt die damit verbundenen Gefahren. Es weiß, daß es die Gedankenkontrolle verliert.“ Sie hielt einen Augenblick inne.
„Ein Heiler …“ versuchte es Tscherlan erneut und sah sich um. Weit und breit war niemand zu sehen.
„Nein, es hat keinen Zweck. Hör zu. Du mußt es all den anderen sagen.“ Sie stöhnte. „Nur das Heim erinnert sich, wir vergessen es, weil die zeitlichen Abstände zu groß sind. Die Mondsturmzeit wiederholt sich periodisch, etwa alle vierhundert Regenerationszyklen. Jedesmal sorgt das Heim dafür, daß ein Ersatzhirn als zusätzlicher Steuerungsfaktor bereitsteht. Die Propheten vor mir waren unfruchtbar. Sie starben, nachdem sie ihre Aufgabe erfüllt hatten. Sie konnten mit ihren veränderten Genen nicht für eine Anpassung an die Gefahren der Mondsturmzeit sorgen.“ Sie lachte schrill. „Welch eine Ironie des Schicksals! Auch ich sterbe. Aber ich bin fruchtbar. Oh, welche Chance haben wir vertan! Ich hätte Kinder zur Welt
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