Metropolis brennt
in der Außenborke, Schächte, die bis zu den Nesselfäden hinabreichten. Sie dienten zur Flugstabilität des Heims, hatte Tscherlan ihr erklärt. Die Luft war hier etwas reiner, etwas sauberer. Die Steuerer, so wurde gesagt, vertrugen das Halskratzen nicht, das Verunreinigungsspuren anderer Atmosphärenströmungen manchmal hervorriefen. „Beachte sie einfach nicht“, riet Tscherlan. Die Besorgnis in seiner Stimme war unüberhörbar. Mayda spürte die mißtrauische Aura der wartenden Außenweltler. Sie sah nachlässig versteckte Waffen, und sie zweifelte nicht daran, daß man sie benutzen würde, sollte die Stimmüberprüfung durch die Begabtsteuerer nicht das gewünschte Ergebnis erbringen.
Die Steuerer lagen in flachen Mulden und waren durch Hohldorne mit dem Stoffwechselsystem des Heims verbunden. Sie lauschten den Gedanken der Welt. Sie gaben Blut und erhielten dafür Kontrolle über die Steuermechanismen des Heims: die großen Gasdüsen am rückwärtigen Teil, die Steuerhäute an der Unterseite des „Bugs“ und die Gaskammern tief im Innern des Leibs, die den Auftrieb verstärken oder vermindern konnten. Es war eine komplizierte Aufgabe, das Heim genau in der Mitte der Warmspur zu halten. Sie erforderte große Erfahrung und behutsamen Umgang mit der Bittstimme. Nicht weit von der Steuerregion entfernt befand sich die Nebelzone. Irgendwo im Innern der umherschwebenden und sich niemals lichtenden Schlieren befand sich das Heimhirn, eine verbotene Zone für alle Außenweltler, selbst die Steuerer.
Tscherlan blieb stehen und preßte Mayda an sich. „Wir sind da“, sagte er. Der Steuerer in der Mulde zu ihren Füßen öffnete die Augen.
Es waren rote Ovale. „Ich weiß. Die Weisen haben uns unterrichtet. Bist du bereit, Mayda?“
Sie erzitterte unwillkürlich. Zuviel hing von der Prüfung ab. Und sie spürte, daß ihr nicht mehr viel Zeit blieb. „Ja, ich bin bereit.“
Sie hockte sich nieder. Und verspürte fast im gleichen Augenblick einen kalten Hauch nahe ihren Gedanken. Wehr dich nicht, sagte eine Flüsterstimme. Laß mich in dein Ich schauen. Da waren noch andere Stimmen, aber sie sprachen nicht zu ihr. Die Kälte breitete sich aus, sie erschauerte. In der Ferne – vielleicht in einer anderen Welt – spürte sie eine Berührung an ihrer Schulter. Tscherlan wahrscheinlich. Sie konnte nichts erkennen. Finsternis war vor ihren Augen.
Oh, du bist stark, sagte die Flüsterstimme. Und du kennst deine eigene Kraft nicht. Paß jetzt auf, Mayda. Wir Steuerer haben Kontakt zum Heim. Ich werde dein Ich mitnehmen. Du kannst zum Heim sprechen. Dann werden wir wissen, ob du eine Prophetin bist. Oder eine Dunkle.
Mayda ließ sich fuhren, und bald schon wurde die Kälte von Wärme verdrängt. Die Gegenwart des Heims. Sympathie und Zuneigung und Zärtlichkeit. Aber auch Angst und Furcht und zunehmende Besorgnis.
Wieder erschien das Bild vor ihren inneren Augen: sieben emporkletternde Monde, die schließlich eine lange Reihe bildeten, was vom Heim aus betrachtet die Illusion schuf, sie vereinigten sich zu einem strahlenden Glanzpunkt. Sie sah gewaltige Wolken aus Nebelfaden, die sich über die Außenborke des Heims ergossen, Infektionen verursachten, Wunden rissen. Sie sah die gewaltigen Flutwellen von Atmosphärengezeiten. Sie spürte die Erschütterungen der Luftbeben, hervorgerufen durch die gemeinsame Anziehungskraft der sieben Monde. Mondsturmzeit. Sie sah das Heim: erzitternd, in seiner Stabilität bedroht, auseinanderbrechend, mit zerrissenen Existenzadern. Sie sah, wie es hinabstürzte in die Dichtzonen, wie es erst in der Intensivkälte erfror und dann vom hohen Druck zusammengepreßt wurde. Sie schrie, denn sie spürte auch den Schmerz, der nur Erinnerung war. Es war schon einmal geschehen, vor langer Zeit. Es war vergessen worden, und nur das Heim erinnerte sich. Sie schrie, schrie, schrie.
Sie erwachte und öffnete die Augen.
Der Körper des Steuerers wand sich in Katatonie. Tscherlan lag am Boden und stöhnte vor Schmerz. Und die anderen, an der Grenze der Steuerzone wartenden Außenweltler … wimmernde Laute drangen an Maydas Ohren. Einige Männer kamen wieder auf die Beine. Waffen wurden hervorgeholt und einsatzbereit gemacht.
„Mayda …“ brachte Tscherlan hervor. „Was hast du getan?“
„Ich war es nicht“, versicherte sie und wich ängstlich vor den näher kommenden Außenweltlern zurück. „Es war das Heim.“ Dunkelheit kroch über den Himmel. Sieben Monde kletterten über den
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