Metropolis brennt
Contrabitter mit einem Hieb zu Boden. Als wäre dies das Zeichen gewesen, kam wieder Bewegung in die Reihen der anderen Außenweltler. Ihre Absichten waren eindeutig: Sie wollten Mayda.
Sie ergriff Tscherlans Hand. „Hilf mir“, bat sie. „In die Nebelzone hinein. Dorthin werden sie uns nicht folgen. Wir haben nur noch so wenig Zeit. So wenig Zeit …“
Der Jäger nahm sie in die Arme, hob sie an und eilte mit der zitternden Last tiefer in die Nebelschlieren hinein.
„Du machst dich mitschuldig!“ riefen die Weisen. „Wende dich ab von der Dunklen. Noch hast du Zeit. Wende dich ab und übergib sie uns. Vielleicht können wir die von ihr ausgehende Gefahr noch rechtzeitig beseitigen.“
„Weiter.“ Maydas Stimme war schwach. Zwei dünne Blutfäden rannen aus ihren Mundwinkeln. Ihre rechte Hand umklammerte den Schaft des Knochenmessers.
Die Laute der Verfolger blieben hinter ihnen zurück. Es war, als schirmten die Schlieren der Nebelzone sie auch akustisch ab.
„Hier“, murmelte Mayda. „Ja, genau hier. Laß mich zu Boden.“ Die Sicht reichte nur noch zwei oder drei Meter. Dennoch wußte Mayda, daß sich in diesem Augenblick die sieben Monde weit oben am Himmel vereinigten, ihre Schwerkraftzonen miteinander verschmolzen und mit einem gemeinsamen Gravitationsarm nach den Himmelsozeanen der Welt tasteten. Der Leib des Heims erzitterte stärker und länger.
Tscherlan fluchte und suchte nach Halt. „Du hast recht, Mayda. Verdammt, du hast wirklich recht. Und diese Idioten wollen es nicht begreifen. Was können wir noch tun?“
„Nicht mehr viel.“ Ihre Stimme war nur noch ein stöhnendes Flüstern. Das Elixier des Lebens floß warm aus ihr heraus. Wieviel Zeit blieb ihr noch, die Aufgabe zu erfüllen? „Es sind keine Vorbereitungen getroffen worden. Es ist schwierig.“
Er streichelte ihre Wangen. „Was ist schwierig? Von welcher Aufgabe sprichst du? Ich verstehe dich nicht …“
„Das Heim ruft mich.“ Ihre Augenlider flatterten. Der gelbe Glanz ihrer Augen begann zu verblassen. Aus weiter Ferne drangen Schreie: „Bringt die Heilsäfte. Die Hexe hat Nebelfäden und Wolkensporen beschwört. Wir müssen die Krankheitsherde sofort bekämpfen.“ Eine Erschütterung durchlief das Heim. Für einen Augenblick nur lichteten sich die Nebel, und weit oben am Firmament war ein heller Glanzpunkt zu erkennen: Mondsturmzeit. Kälte kroch über den Borkenpanzer. Das Heim war bereits aus der Mitte der Warmspur abgetrieben. Irgendwo gluckerten die Zischporen. Mayda spürte die Konzentrationsanstrengung der Steuerer. Sie hatten keine Chance. Ihre Mühe war vergebens, denn sie stimulierten ein Hirn, dessen Gedanken nun von der Furchtumnachtung genetischer Erinnerungsbilder zersplittert wurden.
„Siehst du …“ Sie schluckte und spuckte Blut. „Siehst du die … Mentalblüten?“
Tscherlan blickte sich um. Sein Gesicht war leer. „Meinst du die grauweißen Stengel hier?“
Sie nickte und hustete. „Ja, genau die. Bring mich in die Nähe einer solchen Blüte. Es sind Verbindungsdorne zum Heimhirn.“ Er nahm sie auf und legte sie vorsichtig in unmittelbarer Nähe einer Mentalblüte zu Boden. Mit einer Hand strich sie vorsichtig über den grauen Stengel. Winzige Poren öffneten sich infolge eines Berührungsreflexes, und Hohldorne bohrten sich in ihre Haut. Sie stöhnte leise auf.
Und sah eine andere Welt. Jetzt war sie verbunden mit dem Heim selbst; ihre Gedanken glitten durch die Wölbtunnel der Innenwelt, schmeckten die Verzweiflung der Probitter und Heimsprecher, die nicht mehr in der Lage waren, Kontakt zum Heim aufzunehmen. Wölbkorridore zogen sich zusammen. Wer sich darin aufhielt, fand den Erstickungstod. Einsetzende Luftbeben zersprengten Zellkerne und zerrissen Existenzadern. Heimblut tropfte durch Risse in Fasermembranen. Sie kostete den Schmerz der von Wolkensporen und Nebelfaden induzierten Wunden und Zellmetamorphierungen. Sie roch die Intensivkälte, die das Regenerativblut in den Existenzadern des Heims gefrieren ließ. Der Lumineszenzschimmer von Schimmelpilzkolonien verblaßte; Proteine verdarben.
Das Heim starb. Heimtöchter verfärbten sich und verendeten.
Mondsturmzeit.
Es war kein aktives Hirn mehr da, das die Körperfunktionen des Heims zu steuern in der Lage war. Damit war den Innen- und Außenweltlern, die der Bittstimme mächtig waren, auch die Möglichkeit genommen, lenkend und helfend einzugreifen. Das Heim trieb davon, erfaßt von den Gezeiten der Himmelsozeane,
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