Metropolis brennt
allmählich unangenehm seine Haut, und er schloß die altmodischen Flügel des Fensters wieder, um sich nicht zu verkühlen. Er duschte, suchte sich aus einem der Wandschränke etwas Neues zum Anziehen und frühstückte dann ausgiebig unten im Servierraum der Pension. Hier war er schon öfter gewesen. Fast den ganzen Tag verbrachte Norman an der frischen Luft und freute sich an der erwachenden Natur. Es war ein Wunder, ja, wie ein Wunder, wenn er das hier mit der Stadt verglich. Daran konnten auch die elektronischen Annehmlichkeiten, die hier größtenteils fehlten, nichts ändern – hier waren sie gar nicht vonnöten.
Von den vielen fröhlichen Menschen, die er im Laufe des Tages traf, hatte er erfahren, daß am Abend eine große Fete steigen sollte. Am Morgen darauf, es war Sonntag, wachte Norman mit einem Brummschädel auf. Es mußte schon später Nachmittag sein, denn die Sonne stach ihm grell in die Augen. Als er mit zusammengekniffenen Augen um sich tastete, um sein Armchronometer zu suchen, fühlte er plötzlich etwas Weiches neben sich.
Er öffnete die Augen etwas weiter, sah einen Arm, und dann kam ihm die Erinnerung. Er hatte gestern abend eine junge Frau kennengelernt, und sie hatten sich beide fast augenblicklich ineinander verliebt. Schließlich war Lilana mit ihm in seine Pension gegangen, und hier oben hatten sie sich das erste Mal geliebt. Schon lange Zeit hatte Norman nicht mehr mit einer Frau geschlafen, die ihn mochte, die nicht gekauft oder ein sens-O-tronisches Schattengebilde in seinen Hirnlappen war.
Norman war glücklich. Sanft streichelte er den Arm Lilanas und weckte sie sachte auf. Sie wandte ihm ihr hübsches Gesicht zu und lächelte ihn an, das dunkelbraune Haar fiel ihr in mehreren Strähnen über die Wangen und verdeckte das niedliche kleine Muttermal neben dem rechten Nasenflügel.
Norman hatte ein so intensives Glücksgefühl noch nie erlebt. Er hatte Angst, daß es im grauen Alltag der Stadt wie ein Kartenhaus in sich zusammenstürzen würde, und hatte ihr daher nicht seine Prioritätsnummer genannt. Er wollte sich erst noch genauer über seine Gefühle klarwerden und hatte mit ihr vereinbart, daß sie sich im Wartesaal trennen und erst wieder in diesem Hotel zusammenkommen wollten, wenn sie das Dorf in zwei Wochen, vorher konnte sie nicht, erneut besuchen würden.
Die Woche zog lahm und trostlos wie immer an ihm vorbei. Die Euphorie hatte schnell nachgelassen, und der Kummer und die Einsamkeit begannen, an ihm zu nagen. Norman wies den Senatscomputer über sein Terminal an, die Prioritätsnummer einer weiblichen Person namens Lilana aus dem Register zu suchen. Da jeder Bürger einen vom Computer ausgesuchten – man konnte sogar sagen: ausgedachten – einmaligen Namen nach dem Zufallsprinzip zugeordnet bekam, war dies eine leichte Aufgabe für die Registratur. Auf dem Bildschirm erschien das Ergebnis: L . I . L . A . N . A … B . L . A . U … 3.3.3.3. Norman war erstaunt, damit hatte er nicht gerechnet. Blau-3333, das war doch die Technikerin, die mit dem jungen Schnösel in der R-Bahn …
Am Wochenende hielt er es nicht mehr länger einsam und alleine in seinem Apartment aus. Er zog den Computerausdruck mit ihrer Adresse hervor und fuhr mit der Rohrbahn bis fast an das entgegengesetzte Ende der Metropole. Huchting, ein Neubauviertel, das erst vor wenigen Jahren im Rahmen des großen Sanierungsprojekts entstanden war. Einfache Wohnungen, aber sauber und angenehm, wie er gehört hatte. Allerdings schien ihm hier der dichte Smognebel noch aufdringlicher als weiter im Norden. Die bunten Wände waren an vielen Stellen von weißen Flechten überwuchert. Erst als Norman nah an die Wände herantrat und die Flechten genauer betrachtete, merkte er, daß das keine Flechten, sondern chemische Abfallprodukte waren, möglicherweise Zinkoxid.
Lilana wohnte im 12. Stockwerk eines dieser Häuser und teilte sich eine Wohnung, die nicht viel größer als seine eigene war, mit drei anderen Blauen. Sie erkannte ihn sofort und schien sich wirklich zu freuen, und über seine wahre Identität schien sie sich nicht weiter zu wundern. Norman sagte nichts davon, daß er sie damals im R-Zug gesehen hatte, denn das hätte alles verdorben.
In der folgenden Woche konnte Norman das Wochenende kaum erwarten, und er stand mehrmals kurz davor, sie doch noch abends zu besuchen. Aber er konnte sich bis Freitag beherrschen.
Inzwischen war es auf dem Land schon grüner geworden. Die Krokusse waren
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