Metropolis brennt
aggressive Widerstandstrieb aufflammen konnte, rechtzeitig in diese herrliche Freizeitzone und verdrängten und vergaßen ihre Sorgen, Ängste und Nöte sehr schnell und sehr wirksam. Und es gab praktisch keinen, der die Fahrten freiwillig versäumt hätte.
Dennoch waren die Menschen einsam, diese gelegentlichen Ausflüge konnten das nicht verdecken. Zumindest fühlte Norman sich selbst einsam und ausgebrannt.
Norman mußte fast eine Stunde warten, bis er an der Reihe war. In den Wartesälen und im Dorf galt das Gleichheitsprinzip; hier hatte er als grüngekleideter Beamter keine Vorrechte. Auch wenn er das im Grunde akzeptierte, so fluchte er doch, wenn er so lange warten mußte. Irgendwo mußte auch Gleichheit ihre Grenzen haben. Immerhin: Er hatte manches Mal schon mehr als drei Stunden warten müssen.
Endlich konnte er in eine der Duschkabinen treten. Er streifte sich den Coverall über den Kopf und zog sich nackt aus. Dann stieg er unter die Dusche und wusch sich mit der Desinfektionsseife sorgfältig den Körper ab. Ein Warmluftgebläse trocknete rasch die nasse Haut, und er konnte in den überheizten Untersuchungsraum gehen. Ohne die Bitte des in einen orangefarbenen Kittel gekleideten Arztes abzuwarten, legte er sich sogleich nackt wie er war auf eine der mit einem frischen Einweg-Laken überzogenen Pritschen, die alle schon sehr abgewetzt und oft benutzt aussahen. Wie immer machte der Raum, von dem es für jeden Wartesaal mehrere gab, einen ruhigen, aber auch einen kalten und unpersönlichen Eindruck auf ihn.
Widerstandslos ließ er sich von einem Assistenten die Spritze mit dem nur kurz wirkenden Narkotikum in den rechten Unterarm injizieren. Das war nötig, um ihn in den für den Diagnosecomputer notwendigen traumlosen Tiefschlaf zu versetzen. Er sah noch wie durch ein Aquarium, daß ihm die Haftelektroden für die Compulyse angesetzt wurden. Dann schlief Norman ein.
Als er wieder aufwachte, waren nur wenige Minuten vergangen. Der Arzt-Assistent half ihm auf und zeigte auf die Tür mit den Bekleidungsräumen. Norman ging barfuß über den beheizten Plastboden zu der Tür, die bei seiner Annäherung automatisch zur Seite glitt, und suchte sich in der großen Bekleidungskammer die ihm passende Kleidung aus. Er entschied sich schließlich für einen blauschwarzen, mit farbigen Ornamenten versehenen Kimono.
In einem langsamen Vorort-Zug fuhr er dann über das weite, flache Land an der Weser entlang nordwärts. Viel konnte er draußen nicht erkennen; morgen würde er mehr sehen. In einem kleinen Dorf, dessen Namen er nicht einmal wußte, stieg er schließlich aus und wanderte langsam und andächtig durch die schummrig erleuchteten Gassen. Aus den Kneipen und Wirtshäusern drangen gelegentlich Lärm und Gelächter zu ihm heraus. Er lächelte, ging aber weiter. Heute war er dazu zu müde, morgen vielleicht.
Norman wurde sanft von den ersten Strahlen der aufgehenden Sonne, die durch das Fenster drangen, geweckt. Leise pfeifend stieg er aus dem einfachen, aber mollig warmen Bett und trat ans Fenster. Der Himmel war von dem Sonnenaufgang noch blaßrosa gefärbt, und er genoß die weite Aussicht auf das erwachende Land. Er öffnete das Fenster und beugte sich über das Fensterbrett nach draußen, auch wenn ihn die sich nur langsam erwärmende Morgenluft frösteln ließ. In der Stadt bekam man die Jahreszeiten gar nicht mehr mit; dort war es immer gleich stickig und verqualmt. Aber hier, hier fühlte und sah man jede Veränderung des Klimas. Noch vor einer Woche war es ziemlich kalt und kahl gewesen. Jetzt aber drängte der Frühling mit aller Macht die kalte Jahreszeit zurück, und die Pflanzen und Tiere konnten sich dem nicht verschließen.
Er sah weit entfernt am Ufer des Flusses die ersten Weidenkätzchen in der Morgensonne glitzern, und das Gras bekam wieder eine gesunde, satte Farbe. Die Krokusse, schon vor zwei Wochen mit ihren Knospen durch den dünnen Schnee gebrochen, öffneten ihre Kelche nun weit und sogen begierig die Sonnenstrahlen durch den so entstandenen Schlund. Nur die Baumwipfel waren noch kahl, kaum, daß hier und dort erste Knospen in einem zarten Grün der Hoffnung prangten. Etwa zehn Meter von seinem Standort entfernt erblickte er auf einem Ast, der in Höhe seines Fensters einer mächtigen Ulme entsprang, einen schwarzgefiederten Vogel, der mit seinem orangeroten Schnabel ein kräftiges Tschilpen ausstieß, welches er schon im Bett gehört hatte.
Die frische Morgenluft durchdrang
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