Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Metropolis brennt

Metropolis brennt

Titel: Metropolis brennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
Vom Netzwerk:
Malträtierte zu Boden ging und sich auf dem rotgesprenkelten Plastboden eine weitere rote Lache bildete, dann schaltete er auf den fünften Kanal, um den Anfang von ‚Captain Future’ nicht zu verpassen. Die 993. Folge; diesmal ging es weiter gegen die Galaxo-Rebellen. Norman erinnerte sich, daß diese Reihe vor etwa zwanzig Jahren noch als harmlose Zeichentrickserie im Kinderprogramm gelaufen war; schon damals hatte er sie begeistert verfolgt. Heute lief sie zwar zusätzlich auch noch im Kinderprogramm – aber harmlos …? Da es inzwischen keine Zeichentricksache mehr war, mußten immer neue Schauspieler engagiert werden. Norman wußte, daß die Versicherungssummen sehr hoch waren.
    Er stand auf, holte die Flasche teuren und dennoch nur synthetischen Whisky aus der mit Holzimitat verkleideten Bar und goß sich das Glas zu einem Drittel voll. Dann ließ er eine Cola-Tablette in das Glas platschen und füllte mit Soda aus dem Wandhahn auf. Er ließ sich wieder quer auf die Polster fallen, so gekonnt, daß er nichts von dem Mix verschüttete, und beobachtete versunken die von der Tablette an die Oberfläche der Flüssigkeit perlenden Blasen. Durch das konkav nach innen gebogene Glas sah die Szenerie auf dem rechteckigen Schirm des TiVi noch unwirklicher aus als sonst.
    Norman merkte, wie einsam er in Wirklichkeit war. Allein in seinem Apartment, vor dem TiVi liegend und vor sich in den um das Glas gekrümmten Händen das perlende Gebräu. An jeder einzelnen Perle konnte er seine Einsamkeit abzählen – bis in die Unendlichkeit. Alle Menschen des ausgehenden zwanzigsten Jahrhunderts waren einsam – Gemeinsamkeit, Zutrauen, Vertrauen, Liebe konnte in dieser kalten Welt nicht gedeihen. Diese Worte standen noch im Compu-Duden, einen Sinn erfüllten sie aber schon lange nicht mehr.
    Alles nur Phrasen! In dieser Technologie-Gesellschaft gab es nur eines: funktionieren. Funktionieren für das Wohl des Staates, egal, wie hoch ‚man auf der Trittleiter des Erfolgs stand. Ja, auf dem Dach, vielleicht auf dem Dach. Er aber war noch etliche Sprossen davon entfernt und wußte, daß er nie, nie ganz nach oben kommen würde.
    Und was war mit den vielen Hunderttausenden, den vielen Millionen, die noch nicht einmal die unterste Sprosse dieser Leiter erklommen hatten? Was war mit ihnen? Waren sie genauso einsam wie er, als einzelner mit im starken Wind flatternden Haaren, gefangen dort oben auf seiner Sprosse und nur furchtsam hinabblickend? Oder wärmten sie sich gegenseitig, die Millionen? Mit ihren stinkenden Ausdünstungen, ihrem Arbeiterschweiß, die in den gelben und blauen und auch die in den grauen Coveralls. Die, die sich keinen so exklusiven Sens-O-maten leisten konnten, eine Erotik-Lizenz schon gar nicht, und die nur einmal im Monat in das Dorf fahren konnten.
    Ja, er funktionierte auch nur, funktionierte wie sie. Am Tage acht Stunden arbeiten, dann staatlich verordnete Erholung, um am nächsten Tag wieder fit für die Arbeit zu sein. Das reichte gerade für ihn, aber was taten die Gräulinge, die Tag für Tag Schwerarbeit leisteten, um sich wieder zu erholen? Hatten sie das Geheimnis entdeckt? War es die Liebe, die sie stark machte, am nächsten Tag wieder den aussichtslosen Kampf gegen den Zwang aufzunehmen, der sie ein ganzes Leben verfolgen würde? Norman bezweifelte es. Alles, was er bisher über Gräulinge gelernt hatte, deutete eher auf das Gegenteil. Er mußte an das Paar im Zug denken … Vielleicht doch? Für diese Minuten hätte er gerne ein gelbes Cape übergestreift und sein eigenes in den Staub getreten. Das war etwas anderes als käufliche körperliche Liebe …
    Norman schreckte hoch, seine Finger waren naß, er hatte sich das halbe Glas über die zitternden Hände gekippt. Er mußte sich zusammennehmen, solche ketzerischen Gedanken waren nicht gut für ihn. Er stand auf, trank das Glas mit einem Schluck leer und wischte sich dann die Hände an einem Tuch ab. Er mixte sich einen neuen Cola-Whisky-Drink und zog eine Schublade aus einem unter der Bar angebrachten Wandschrank. Er fand eine seiner Trigger-23- Tabletten und krönte seinen Drink mit der Droge. Dann wühlte er die drei Sens-O-disks aus seinem im Flur hängenden Coverall und steckte die quadratischen Kristallspeicherplatten in das Bereitschaftsfach des Sens-O-maten; die Einschaltung würde automatisch erfolgen, sobald er im Schlaf den Beta-Wellenbereich erreichte. Er zog sich aus, zerrte die dünne Decke aus dem Wandfach und legte sich nackt

Weitere Kostenlose Bücher