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Metropolis brennt

Metropolis brennt

Titel: Metropolis brennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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auf die Polsterlandschaft, so daß er bequem auf das TiVi sehen konnte. Mit der Fernbedienung schaltete er dieses auf Kanal 11 und setzte sich dann mit beiden Händen die zwei Haftelektroden des Sens-O-maten an die Schläfen. Während Norman das Erotikprogramm auf dem Bildschirm verfolgte und gelegentlich an seinem Drink nippte, schlief er langsam ein.
     
    Ihm steht das Bild noch klar vor Augen, wie er sie in der rauchigen Bar angemacht, mehrere Gläser gemeinsam mit ihr geleert hat und sie ihm dann nach Hause gefolgt ist, schon im Fahrstuhl hat sie ohne viel Aufhebens die Beine breit gemacht … und dann auf der Polsterlandschaft … Ooooh … und jetzt … jetzt … so gut … wie … wie … er drückt ihren Kopf tiefer zwischen seine Beine und stöhnt laut auf … jaa! … Meika! … gleich … jetzt …
    Normans Augäpfel sprangen in ihren Höhlen in rotem und grünem Stakkato, der Kopf dröhnte, das Herz wummerte in einem fremden Rhythmus – Norman schlug die Augen auf und war augenblicklich hellwach. Seine High-Fidelity-Anlage blies ihm mit mindestens achtzig Watt die Baßdrums von Inspirations durch den Körper. Uralte Scheibe von Jan Akkerman & Kaz Lux, dachte er.
    Mit einer raschen Handbewegung schaltete er die flirrenden roten und grünen Blitze des Laserstroboskops aus und ließ den Schallpegel auf ein normales Maß zurückfahren. Während er sich die Haftelektroden von den Schläfen wischte, erschien auf der gegenüberliegenden Wand eine bewegte Südsee-Projektion, die ihn melancholisch stimmte. Südsee war heutzutage passe, aus der Traum. Das Meer stank nach Chemieabfällen, der Strand war über und über mit öligem Tang bedeckt, die Städte und Dörfer waren eine einzige von den Touristen hinterlassene Kloake.
    Norman Grün-124 lächelte und zwang sich dann dazu aufzustehen. Heute war Freitag, und er wünschte, daß es schon Nachmittag und gleich Arbeitsschluß wäre. Noch heute abend würde er wieder ins Dorf fahren – für ein ganzes Wochenende! Der Weckautomat hatte ihn sehr unsanft und abrupt aus seinem Sens-O-glück gerissen, aber das verblaßte angesichts der Verheißungen des Dorfes …
    Vergnügt zog er sich an, mixte sich seine Frühstücksflocken zusammen – Cashew, Hafer, Kleie, Vitamino, Paranuß diesmal – und machte sich auf den Weg zur Arbeit. Der Schriller, den er gestern abend benutzt hatte, war inzwischen von den Schwarzen Bullen per Rohrpost an ihn zurückgesandt worden, und er konnte das Ersatzgerät zu Hause lassen.
    Norman mußte den ganzen Tag an die Verheißungen der nächsten Tage denken – das Dorf! Als er am Spätnachmittag in sein Apartment zurückkehrte, hielt er sich nicht lange auf. Er wußte, daß er alles Notwendige an der Grenzstation bei der Mauer erhalten würde, und nahm daher nicht mehr mit als auf dem Weg zur Arbeit.
    Norman hatte es nicht sehr weit bis zur Mauer. Die innerstädtische Rohrbahn endete dort direkt in einem der Außenbahnhöfe. Hier hielten auch die zwischen den einzelnen Metropolen verkehrenden Fernzüge, die nach einer Reise ohne Aufenthalt von draußen hereinkamen oder, vom Zentralen Fernbahnhof in der City kommend, die Stadt verließen. Er entstieg seinem R-Zug in der Endstation, wandte sich aber nicht den Rolltreppen zu den tiefer gelegenen Schächten der Schnellzüge zu, sondern lenkte seine Schritte zu den nach oben fahrenden Lifts. Bevor man oben die Vorortbahnen besteigen konnte, mußte man sich im Zwischenstockwerk einer genauen ärztlichen Untersuchung unterziehen und seinen Organismus mit streßabbauenden Psychopharmaka auf die neue Umgebung einstellen.
    Oben setzte er sich in einen der vielen Warteräume. Gott sei Dank war es noch relativ leer hier; es war früh am Abend und außerdem ein Wochenende mitten im Monat. Die Scharen der Gräulinge, die sich die Fahrt aufs Land nur einmal im Monat leisten konnten, strömten meistens erst am Monatsende zur Mauer. Bei ihrem niedrigen Lohn hätten sie sich die Fahrt eigentlich nur einmal im Jahr leisten können, als Geburtstagsgeschenk sozusagen. Da diese Tage auf dem Land aber vor allem dem sozialen Ausgleich dienen sollten, damit die unterprivilegierten Schichten ruhig gehalten wurden, hatte man die Gebührensätze entsprechend ermäßigt und den jeweiligen Einkommen der anderen Gruppen angeglichen. Norman schien dies durchaus sinnvoll zu sein. So wurde der in der Stadt herrschende Status quo mit Leichtigkeit aufrechterhalten. Die Menschen in den Arbeitervierteln kamen, ehe in ihnen der

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