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Metropolis brennt

Metropolis brennt

Titel: Metropolis brennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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Sie sind jetzt vollkommen in Ordnung.“
    Hesse betonte das „Jetzt“ und wartete lauernd eine Reaktion ab, aber Hansen gab sich mit dieser Erklärung zufrieden. Hansen verabschiedete sich noch von Fräulein Körner, nahm dann seine kleine Handgelenktasche und wandte sich zum Gehen.
    „Hansen!“
    „Ja?“
    „Was werden Sie jetzt tun?“
    „Ich beginne ein neues Leben. Ich habe endlich einen Studienplatz erhalten. In einer anderen Stadt. An der Bismarck-Universität!“
    „Na dann viel Glück!“
    „Danke, kann’s gebrauchen!“ Hansen lächelte noch einmal, dann schloß er die Tür hinter sich.
    Fräulein Körner blickte ihm nach. „Eigentlich ein netter junger Mann, dieser Gerold. War er vorher wirklich so ein …?“
    „Ganz großes Kaliber sogar nach der Aktenlage. Aber jetzt heißt er ja Hansen. Nur daß wir ihm die Kleine Nachtmusik nehmen mußten, das ist schade. Sehr schade das.“
    „Ja, Dr. Hesse.“
     
    Draußen war Nacht. Eisige, kalte, feuchte Nacht. Dunkle Nacht. Die Straßenlaternen standen wie tote Stahlgerippe in Reih und Glied und brannten nicht. Tote Soldaten, einsam Wache haltend und sinnlos.
    Am Himmel oben Lichtpunkte, Sterne des Firmaments, wenige hell, viele matt, alle weit, weit weg. Kein Mond.
    Unten, auf den Straßen zwischen den Häuserfluchten, dichtgedrängt an den schwitzenden Mauern, ein Strom von wirbelnden Lichtpunkten. Rot und Grün, manchmal Weiß. Das waren die Menschen, die durch die Nacht eilten, das waren die aktivierten Leuchtpunktgürtel der Menschen. Verkehrssignale im Fußgängerstrom: Wer Grün sah, wußte, da kommt einer; wer Rot sah, wußte, da geht einer vor dir; wer Weiß sah, wußte, da steht oder geht einer seitwärts. Man gab sich in der Dunkelheit nicht mehr als Person zu erkennen, sondern als Verkehrsobjekt.
    Auch Hansen wußte das, es war ihm vertraut, obwohl er sich seltsam fremd gegenüber diesem Gewirr von Punkten fühlte, seltsam fremd, wenn jemand schemenhaft aus dem Dunkel an ihm vorbeiging und aus seinen Konturen in Bruchteilen von Sekunden identifiziert wurde als Mann, Frau, Kind, Greis, rauchend oder nicht rauchend. Das waren keine Personen, sondern Schatten von Personen, flüchtig, ungreifbar, unwirklich, nur bestehend aus einem Lämpchen in der Mitte ihres Körpers, die entweder grün, rot oder weiß leuchteten.
    Hansen, der noch unschlüssig im Eingang des Gebäudes stand, aus dem er kam, konzentrierte sich auf einen der grünen Punkte, ließ ihn direkt an sich vorbeiziehen (Frau, schnell, Nichtraucherin, nach der Lage des Gürtels klein und schlank, vielleicht noch sehr jung), orientierte sich dann an ihrem roten Punkt und folgte ihr. Er aktivierte seinen Leuchtpunktgürtel und war jetzt selbst ein Wesen mit vier Punkten: vorn grün, hinten rot, an jeder Seite weiß. Er schlug den Jackenkragen hoch und paßte sich dem Schrittempo des Vorläufers an. Dann fraß sich die Kälte durch seine Jacke und machte ihn frösteln. Er ging noch schneller, wich grünen Punkten aus, überholte rote.
    Und plötzlich dachte er: Wer sind sie? Jene, die man nicht sehen kann und die doch da sind wie du selbst. Wer sind sie, die hier in der Nacht herumlaufen, und warum und wozu? Und warum du? Wer bist du?
    Die letzte Frage, die ihm sein Unterbewußtsein stellte, versetzte ihn in Panik. Wer bin ich? Wer bin ich? Automatisch fühlte er nach Zigaretten, fand eine Packung in der Tiefe der Jackentasche und steckte sich hastig eine an. Nach dem ersten Zug kehrte die Klarheit der Gedanken zurück, und fast hätte er laut gelacht über seine Angst.
     
    „He, du, komm doch mal her!“
    Hansen schreckte auf, sah zwei Beine schemenhaft in einem Eingang stehen. Schöne Beine, Frauenbeine.
    „Ja bitte?“
    „Hast du Feuer?“
    „Natürlich.“
    Die Frau hatte offensichtlich eine eher üppige Gestalt und schien ungewöhnlich leicht bekleidet zu sein. Sie trug keinen Leuchtpunktgürtel und roch nach billigem Parfüm. Im Licht des Feuerzeuges erkannte Hansen ein überraschend junges Gesicht, eingerahmt von wirrem rotem Haar. Die wasserblauen, verschwommenen Augen, die ihn entrückt ansahen, ließen in Hansen die Vermutung aufkommen, hier könne Rauschgift im Spiel sein.
    Sie beugte sich vor, berührte ihn aufdringlich mit ihrem Busen. Dann atmete sie tief durch und blies den Rauch in die Nacht. „Fünfzig“, sagte sie, „weil es so kalt ist.“
    „Nein.“
    „Vierzig!“
    „Es geht nicht um Geld.“
    Sie schwieg einen Moment. Sie umklammerte sein Handgelenk,

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