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Metropolis brennt

Metropolis brennt

Titel: Metropolis brennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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hielt es eisern fest, ließ es wieder los. „Oh, der Kleine will Liebe, richtige Liebe!“
    Abweisend lehnte sie sich zurück in den Hauseingang.
    Hansen blieb stehen, unschlüssig.
    Dann fragte sie unvermittelt: „Ob es morgen wieder Blut regnet?“ und: „Warum gehst du nicht?“
    „Es ist kein Blut“, sagte Hansen. „Säure oder so was.“
    „Blut“, beharrte sie eigensinnig. „Es tropft von den Laternen, den Fenstervorsprüngen, läuft über den Gehweg, sammelt sich im Rinnstein. Vermischt sich mit Dreck, versickert. Ich sehe es oft, wenn ich hier stehe.“
    „Es wird jedesmal vorher Alarm gegeben“, sagte Hansen. „Es kann nichts passieren.“
    „Es gibt keine Vögel mehr in der Stadt!“ Sie sagte es so, als sei es ein Beweis für Blut.
    Hansen wollte gehen. Wieder umklammerte sie sein Handgelenk. „Wohin gehst du?“
    „In eine andere Stadt.“
    „Blut“, sagte sie, „in den Städten ist nur Blut.“
    „Es sind immer nur Städte, in die man gehen kann.“
    Sie umklammerte sein Handgelenk noch immer, eisern.
    „Dreißig!“ Es war fast eine Bitte.
    Hansen riß sich los, murmelte entschuldigend: „Ich muß jetzt weg, der Zug wartet.“ Er sprang auf die Straße, lief davon.
    „Blut!“ schrie sie hinterher. „In den Städten ist nur Blut!“
    Hansen beschleunigte sein Tempo noch, er wollte weg von dieser überdrehten Frau. Er fühlte sich erst wieder wohl und sicher, als er sich in die Anonymität des Lichtpunktgewirrs einreihen konnte, das ihn aufsog und mit sich fortzog. Hier wurden seine Schritte wieder ruhiger, und nach einer Weile zogen ihn auch die Lichtpunkte nicht mehr in den eigentümlichen Sog des Mitmachenmüssens. Er fühlte sich allein in der Masse und doch als Person. Er fühlte sich, und das gab ihm Selbstvertrauen.
    Und Blut in den Städten? Wahnideen einer Süchtigen, nichts weiter.
    Plötzlich entstand irgendwo Hektik und Bewegung. Vorn begannen Menschen zu laufen. Lichtpunkte wippten schnell auf und nieder, grüne Punkte wurden plötzlich rot, ein roter Strom eilte auf einen unbekannten Punkt zu.
    Jemand stieß Hansen an und entschuldigte sich nicht einmal. Hansen selbst konnte sich der Nervosität der anderen nicht entziehen. Er begann zu laufen, erst zögernd, dann immer schneller …
    … bis er auf eine Mauer von Leibern traf, deren Zinnen/Köpfe nach oben starrten.
    Dort oben, auf dem Hochhaus, leuchtete grün (grün!) eine staatliche Propagandaparole:
    SPART STROM, GAS UND ENERGIE
    UND IHR HELFT SIEGEN!
    Zentrum der Aufmerksamkeit aber war der Mensch, der neben dem überdimensionalen U von UND IHR HELFT SIEGEN ! stand, klein, dunkel, aber deutlich sichtbar im grünen Licht. Er stand nur so da, reglos, einen Schritt vor dem Abgrund.
    „Wie ist er da wohl raufgekommen?“ fragte jemand. Und: „Ist das Fernsehen schon informiert? Und der Rettungsdienst?“
    Die Gestalt oben hob die Arme, breitete sie aus, stand steinern wie eine Statue, signalisierend: Ich bin Jesus! Ihr sollt alle zu mir kommen!
    Eine Minute verging, zwei, drei. Die Gestalt stand reglos, die Masse unten auch.
    Dann zerrissen Worte die atemlose Stille, mit ungeheurer Kraft geschrien, noch zu hören im Tal der Häuserschluchten, von wo aus auch Hansen noch oben starrte.
    „… Eli … Eli … lama asabthani …“
    Und noch einmal, noch lauter, wütender, verzweifelter:
    „… Eli … Eli … lama asabthani …“
    Im nächsten Augenblick, in Bruchteilen von Sekunden, machte die Gestalt den entscheidenden Schritt nach vorn. Fiel einfach so hinunter, wurde verschluckt von der Dunkelheit.
    Hansen glaubte so etwas wie einen Aufprall zu spüren, war sich aber nicht sicher. Die Menge stand noch einen Moment starr, dann erhob sich Murmeln, Bewegung kam auf, Unruhe. Und auch Hansen beschlich ein Gefühl, eine Ahnung, die ganz tief von innen kam, aus dem Urgrund des Unbewußten: Etwas stimmt nicht, etwas ist nicht in Ordnung, man muß etwas tun dagegen. Und die Stimme, die diese seltsamen Worte herausgeschrien hatte – kannte er diese Stimme nicht?
    Plötzlich waren sie da, die Blauen. Sirenengeheul gellte durch die Nacht, Mannschaftswagen hielten mit quietschenden Reifen, spuckten Uniformierte aus. Einige Sekunden das Getrappel schwerer Stiefel, dann standen sie in Reih und Glied und sperrten vorn die Straße ab.
    Scheinwerfer flammten auf, rissen die dunkle Masse aus ihrer Anonymität. Hansen konnte zum erstenmal Körper und Gesichter um sich herum genau erkennen.
    Die Gesichter spiegelten Angst und

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