Metropolis brennt
checkte statt dessen die Funktionen ihres Steuerpultes durch.
„Seine Lieblingsmusik, was war das noch mal?“
„Eine kleine Nachtmusik, Dr. Hesse.“
„Wirklich? Klassisch-humanistischer Geschmack sozusagen. Hätte ich dem gar nicht zugetraut, nach den Akten.“
„Ja, Dr. Hesse.“
Hesse seufzte und fuhr sich mit einer Gebärde komischer Verzweiflung durch seine kurzen grauen Haare. „Also gut, spielen Sie es schon mal an. Er muß ja gleich da sein. Eine kleine Nachtmusik, kaum zu fassen.“
„Ja, äh …“
Der zarte Klang von Violinen erfüllte leise den Raum. Hesse lehnte sich zurück und betrachtete sein Büro mit Wohlgefallen. Ein schöner großer Schreibtisch, Teppich, Tapete und Bilder nach eigener Wahl, immergrüne Pflanzen, die Medienanlage, die sich auch für private und sehr private Zwecke nutzen ließ, eine persönliche Assistentin, die ihm – wenn auch auf eine etwas stupide Art – aus der Hand fraß. Und jetzt diese Musik. Er hatte es eben geschafft. Das war nicht mehr wie damals, als er noch bei Wind und Wetter mit Subjektüberwachung befaßt war.
„Es hat geklopft, Dr. Hesse.“
„Aha!“ Hesse wälzte sich aus seinem Sessel, ging zur Tür und öffnete sie. Im Gang stand ein junger Mann, vielleicht einssiebzig groß, bekleidet mit einer ekelhaften lila Latzhose, einem normal gestreiften Hemd, einer abgewetzten, rot-schwarz karierten Jacke und dem obligatorischen, jetzt nicht aktivierten Leuchtpunktgürtel um den Bauch. Der junge Mann lächelte heiter aus einem schmalen, bartlosen Gesicht und sagte fröhlich: „Da bin ich.“
„Herr Gerold, nicht wahr? Hereinspaziert, mein Freund, hereinspaziert. Wir müssen noch eine kleine Untersuchung durchfuhren, damit wir auch sicher sind, daß Sie unser Haus gesund verlassen. Natürlich eine reine Formsache. Nur ein paar Fragen. Ah ja, das ist Fräulein Körner, die Protokollantin und meine persönliche Assistentin. Setzen Sie sich hier in den Plexiglassessel und entspannen Sie sich, entspannen Sie sich.“
„Ein nettes Büro haben Sie hier – und schöne Musik.“
„Ja, nicht wahr? Es geht doch nichts über die alten Meister: Mozart, Bach, Beethoven, Vivaldi, Hanns Eisler. Sie kennen doch Eisler?“
Gerold räkelte sich behaglich in den Plexiglassessel und strich sich nachdenklich über das Kinn. „Eisler? Hmm. Nee, den kenne ich nicht, nicht daß ich wüßte. Wahrscheinlich eine Bildungslücke.“
Hesse warf dem Fräulein Körner einen unauffälligen, triumphierenden Blick zu und ließ sich in seinen pompösen Sessel sinken.
„Machen Sie sich nichts daraus. Gehört zu den weniger bekannten Komponisten. Und im Vertrauen: Ich kann ihn eigentlich nicht ausstehen. War intelligent und begabt, der Mann, aber leider ein Aufwiegler. Eigentlich gar kein richtiger Künstler. Sie kennen ihn wirklich nicht?“
Gerold zuckte hilflos die Schultern.
„Schön das. Sehr schön das. Aber kommen wir nun zur Sache. Zunächst einmal: Wie fühlen Sie sich? Schließen Sie die Augen, entspannen Sie sich und sagen Sie mir, wie Sie sich fühlen.“
„Ganz ausgezeichnet. Danke der Nachfrage. Fast wie neugeboren, würde ich sagen.“
„Wie neugeboren? Würden Sie das wirklich sagen? Kurios!“ meinte Hesse lachend und brummte dann ein unhörbares: „Schön das. Sehr schön das.“ Dann klappte er einen Aktenordner mit der Aufschrift A BSCHLUSSTEST auf und trug in ein vorgedrucktes Formular folgendes ein:
A) Primärdaten (alt)
NAME: Gerold
VORNAME: Günter
GEBURTSORT: Berlin
GEBURTSTAG 5. 3. 62
B) Primärdaten (neu)
BÜRGERNUMMER: 623510005261 G
ACHTUNG! CODE!
Befrager(in): Orpheus
Assistent(in): Eurydike
Hesse schob den Ordner dem Fräulein Körner hinüber und sagte dann: „Ich werde Ihnen jetzt ein paar Fragen stellen, die Sie bitte kurz und präzise beantworten. Wir beginnen mit den persönlichen Daten. Wie heißen Sie?“
„Ich weiß es nicht.“
„Wo wurden Sie geboren?“
„Ich weiß es nicht.“
„Wann wurden Sie geboren?“
„Ich weiß es nicht.“
„Wie lautet der Geburtsname Ihrer Mutter?“
„Ich weiß es nicht.“
„Hatten Sie kürzlich einen Unfall?“
„Nein.“
„Sind Sie jemals auf der Straße zusammengebrochen?“
„Nein.“
„Sind Sie Mitglied einer politischen Partei?“
„Nein.“
„Sind Sie Mitglied einer Gewerkschaft?“
„Nein.“
„Leben Sie in einer Ehe, einer eheähnlichen Gemeinschaft oder einer anderen vergleichbaren Beziehung mit einer anderen
Weitere Kostenlose Bücher