Mettwurst ist kein Smoothie
heulen?
Natürlich bin ich nicht der einzige Mensch mit Musicalphobie. Schauen Sie mal nach Hamburg. Dort wurde der «König der Löwen» auf eine Insel im Hafen verbannt. Erinnert nur mich das an die Leprakolonien vor mittelalterlichen Städten? Vermutlich spielen die Hamburger Stadtoberen insgeheim mit dem Gedanken, irgendwann die ganze Insel loszufräsen und elbabwärts Richtung Brunsbüttel treiben zu lassen. Da können Timon und Pumbaa ihre Musicalhand so sehnsüchtig Richtung Ufer strecken, wie sie wollen!
Nur manchmal, wirklich ganz, ganz selten, passiert mir bei Musicaldarstellern das, was mir auch bei Zombies gelegentlich passiert: Ich habe Mitleid mit ihnen.
Kürzlich sah ich einen Werbespot für eben den «König der Löwen». Darin gab es eine Szene mit zehn Akteuren, die mit einem Stück Wiese auf dem Kopf im Kreis tanzten. Im Hintergrund lief Musik, vermutlich ein emotionaler Elton-John-Heuler. Vielleicht war’s aber auch ein Stimmungskracher mit dem Titel «Ich hab ’ne Wiese aufm Kopf, ich bin die Steppe!». Ich weiß es nicht, denn ich hörte natürlich nicht zu. Stattdessen kam mir der Gedanke: Wie demütigend muss das sein? Da nimmst du zehn Jahre lang Gesangsunterricht in London, Schauspielstunden in München und Musical-Faust-Nachhilfe in New York, und dann wirst du im «König der Löwen» dritte Grasnarbe von rechts? Und irgendwann steht auf deinem Grabstein: «Hier liegt der berühmte Musicaltänzer XY . Er hatte während seines gesamten künstlerischen Lebens ein Stück Wiese auf dem Kopf. Jetzt auch.»
Der Gedanke machte mich sehr traurig. Aber nur kurz. Dann schob sich langsam meine Oberlippe über die Zahnreihe.
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Da hat aber einer was vor
Ich finde, jeder Großstadtbewohner sollte über einem Sexshop wohnen. Seit vier Jahren haben wir nun den «Bazar Bizarr» unter uns, mit all seinen Dildos, Masken und Penispumpen. Und den Unterhaltungswert, den so ein Laden bietet, kriegt man einfach nicht von einem Kiosk, einem Nagelstudio oder einem Steuerhilfebüro.
Nach jeder Schaufensterumgestaltung spielen Stefan und ich zum Beispiel eine Runde «Dildo durch den Dödel»: Das ist ein sehr kniffliges Spiel. Wir stellen uns dazu vor den Laden, schauen die Artikel in den Glasvitrinen an, und wer die sinnvollste Erklärung zur Anwendung der ausgestellten Produkte findet, hat gewonnen. Das Ganze heißt übrigens so, weil unsere Diskussionen dabei sehr an Mike Krügers Lied «Nippel durch die Lasche» erinnern.
«Also, als Erstes nimmt man diesen Dildo mit den zwei Verästelungen. Die eine steckt man in den … Ach nee, das sind ja drei Verästelungen …»
«Ja, über die eine stülpt man wahrscheinlich dieses noppige Gummiding, während der Partner mit dem Stäbchen da und dem geriffelten Glas-Nupsi …»
«Ach, Quatsch, an dem Stäbchen ist doch hinten noch ’ne Pumpe dran. Damit muss man irgendwas aufpumpen. Vielleicht den Dildo?»
«Oder die Noppen von dem Gummiding.»
«Und wofür ist überhaupt der Schieber mit der Gummilippe da unten?»
«Du Depp: Das is ’n Fensterabzieher.»
Den Gewinner zu ermitteln ist bei diesem Spiel übrigens ein bisschen schwierig, denn eigentlich wollen wir in den meisten Fällen
überhaupt
nicht wissen, wofür die Sachen gut sind. Einmal ging Stefan nämlich in den Laden, um Frank, den Besitzer, zu fragen, wozu man wohl im Bett diese dünnen Stäbchen aus chirurgischem Stahl benötigt. Nach drei Sekunden kam er mit zugehaltenen Ohren aus dem Geschäft gerannt und schrie: «Lalalaaaaaaa, ich kann dich nicht hööööööören!»
Ich halte uns nicht für prüde, wirklich nicht! Aber wenn Frank zu erzählen anfängt, erröten sogar Hamburger Hafennutten. Kennen Sie diese Opas, die auf Geburtstagsfeiern immer im unpassendsten Moment vom Krieg erzählen, bis alle die Gesichtsfarbe verlieren und die Buttercremetorte wegschieben? Genauso sind Franks Geschichten, nur mit Sex statt Schussverletzungen.
Trotzdem liebe ich den Laden. Es gibt nur ein kleines Problem: Franks Leidenschaft für schmierige Anspielungen.
Er steht nämlich fast den ganzen Tag vor seinem Geschäft, raucht und ruft jedem, der vorbeigeht, eine anzügliche Bemerkung hinterher. Das allein wäre noch nicht so schlimm. Aber es sind die mit Abstand schlechtesten anzüglichen Bemerkungen, die ich je gehört habe. Eigentlich sind sie, soweit ich das verstehe, auch gar nicht anzüglich. Er sagt sie nur in einem so wahnsinnig schmierigen Tonfall und
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