Mettwurst ist kein Smoothie
schnappt sich den Hund, macht noch eine kurze Runde mit ihm und kann dann am nächsten Tag ausschlafen. Kleines Problem: Nachts um drei gibt es keine kurzen Runden mit dem Hund. Nachts um drei gibt es nur langes, zähes Dahingeschleppe von einem Grünstück zum nächsten, ohne dass das Tier auch nur ein Mal ein Bein heben oder sich setzen würde. Weil es genau weiß: «Du hattest deinen Spaß am Tresen, jetzt hab ich meinen.»
Dann steht mein Hund Bärbel auf dem winzigen Grünstück, zu dem ich sie mit letzter Kraft gezogen habe, und schaut mich ratlos an.
«Was soll ich denn hier?», scheint sie zu fragen.
«Na los, lass laufen», antworte ich. «Luke eins, Luke zwei, dann können wir wieder nach Hause.»
«Nö, keine Lust», antwortet sie mit einem einzigen Blick. «Weißte, was ich mach? Ich steh jetzt einfach mal ein bisschen unschlüssig hier rum. Komm ich ja sonst nie dazu. Und an dem Grashalm da drüben, da wollte ich auch schon lange mal fünf Minuten sinnlos rumschnuppern. Nachts um drei hat man endlich mal Zeit für solche Sachen. Herrlich!»
Nach einer halben Stunde gebe ich ihr meistens eine kleine Bauchmassage, immer von der Schnauze in Richtung Ausgang. Nach einer Dreiviertelstunde überlege ich, ob ich sie nicht von vorne her aufrollen kann wie eine Zahnpastatube. Und nach einer Stunde pinkle
ich
dann an den Baum, und wir gehen wieder nach Hause.
Wäre auch kein Problem, gäbe es da nicht den nächsten Morgen. Denn genau dann, wenn man zum ersten Mal aufwacht, um dem eigenen Atem oder dem des Partners auszuweichen, wenn man dabei auf die Uhr schaut und sich denkt: «Mann, was’n Glück, dass ich heute ausschlafen kann», wenn man sich dann in die Decke mummelt und von einem kopfwehfreien Morgen träumt, dann heißt es: Auftritt Hund!
‹Auftritt nervös tippelnder Hund›, muss es vielleicht richtig heißen, denn was nachts unmöglich war, scheint jetzt unumgänglich. «Ich muss raus, ich muss pinkeln, und zwar sofort.»
Was dann zwischen Stefan und mir abläuft, nenne ich «Gassi-Mikado». Es ist ein Spiel für zwei Personen und einen Hund. Spieldauer: ca. 60 Minuten. Und es läuft ungefähr so:
9 Uhr: Hund betritt das Schlafzimmer. Beide Herrchen bemerken ihn, keiner reagiert. Ab jetzt gilt’s. Gassi-Mikado! Wer sich zuerst bewegt, verliert.
9 Uhr 05: Wir liegen beide regungslos im Bett, atmen leise und gleichmäßig und täuschen zufriedenen, tiefen Schlaf vor. Der Hund stellt sich vor meine Seite des Bettes und versucht mich wachzustarren. Ich halte beide Augen fest geschlossen, lasse auch noch das Kinn ein bisschen nach unten sacken und fange leise an zu schnarchen.
9 Uhr 10: Bärbel läuft ums Bett herum und stellt sich vor Stefans Seite. Da auch er nicht reagiert, versucht sie es mit einem feuchten Gesichtsschnauber. Herrchen 2 bleibt eisern, lässt aber unmerklich eine Hand unter der Bettdecke hervorgleiten und versucht, den Hund zu mir zurückzuscheuchen. Dann dreht er sich zur Bettmitte.
9 Uhr 15: Noch bevor Bärbel meine Seite erreicht, drehe ich mich in Richtung Stefan. Er lunzt mich durch halb geöffnete Augen an. Ich lasse beide Augen zu und bewege die Augäpfel schnell von links nach rechts und zurück. REM -Phase!
9 Uhr 30: Da Bärbel uns nicht mehr anschauen und -schnauben kann, versucht sie es mit einer rituellen Fußleckung. Zentimeter für Zentimeter ziehen wir beide langsam die Füße unter die Decke.
9 Uhr 35: Bärbel verlässt das Schlafzimmer. Kurze Verschnaufpause.
9 Uhr 45: Rascheln im Nebenzimmer. Beide lauschen. Ich erkenne meine Chance. Langsam bewege ich mich, seufze ein wenig, richte mich ein bisschen auf, schaue möglichst verschlafen und sage: «Du, ich glaub, die Bärbel räumt grade deine Aktentasche aus!» Stefan tut nicht mal mehr so, als hätte er geschlafen. Er steht auf und verlässt das Zimmer. Gewonnen.
Echte Profis setzen übrigens noch einen drauf. Wenn Herrchen 2 an der Tür steht, fertig angezogen, mit der Leine in der Hand und den Kacktüten in der Tasche, wenn er gerade genervt den Hund ruft und zum Schlüssel greift, dann ist es Zeit, den Jackpot abzuräumen. Einfach indem man sagt: «Du, ich kann doch auch mit ihr rausgehen!»
Damit ist allerdings nicht nur das Spiel gelaufen, sondern meistens auch das Wochenende.
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Bis vor kurzem gab es bei uns in der Straße eine Schlecker-Filiale. Anfangs standen zwei Mitarbeiterinnen im Laden und
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