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Mettwurst ist kein Smoothie

Mettwurst ist kein Smoothie

Titel: Mettwurst ist kein Smoothie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Barth
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in der Lage sind, aus einem Stein und etwas Zeitungspapier eine ordentliche Kartoffelsuppe zu kochen. Deswegen ging ich fest davon aus, dass meine Fleißigen Lieschen sich gut um sich selbst kümmern können. Das war ein Irrtum. Vielleicht hätte ich vorher mal im Internet recherchieren sollen. Bei Wikipedia steht nämlich unter «Fleißiges Lieschen» bereits im ersten Satz: «… in der Schweiz auch ‹Süüfferli› genannt, wegen des vergleichsweise hohen Wasserbedarfs.»
    «Vergleichsweise hoch» – dass ich nicht lache! Im Grunde stand ich den ganzen Tag mit der Gießkanne neben den Pflanzen. Wenn ich sie mal eine halbe Stunde lang nicht gegossen hatte, ließen sie sich schon schlaff über den Rand des Balkonkastens hängen und streckten nur noch einen Zweig in Richtung Nachbarbalkon, als wollten sie schreien: «Helft uns! Er lässt uns verdursten!» Das waren keine «Fleißigen Lieschen», das waren «Hinterhältige Trullas».
    Als mich die ersten Nachbarn auf der Straße vorwurfsvoll anschauten, haben Lieschen und ich uns getrennt.
     
    Ich fuhr also noch einmal ins Gartencenter und kaufte nur Pflanzen, die ausdrücklich als «robust» deklariert waren. Abends standen dann eine Hortensie, ein Lavendel und ein Strauch Rosmarin auf meinem Balkon. Ich räumte sogar meinen Kugelgrill weg, nur damit die Pflanzen mehr Platz hatten. Leider war «stehen» auch das Einzige, was die drei in den nächsten Monaten taten. Gewachsen sind sie nicht.
    Eines Nachmittags gingen Stefan und ich auf den Balkon und befühlten die Blätter, um sicherzugehen, dass ich nicht aus Versehen zu den Plastikpflanzen gegriffen hatte.
    Stefan zuckte die Schultern. «Vielleicht solltest du sie mal düngen.»
    «Düngen!», rief ich gekränkt. «Düngen ist was für Muschis!»
    «Was?»
    «Na, was setz ich denn da für ein Zeichen, wenn ich die dünge? Die sollen sich mal schön selbst ernähren! Irgendwann verlassen die sich sonst darauf, und dann habe ich hier drei so verweichlichte Wohlstandspflanzen an der Backe!»
    Stefan verstand mich immer noch nicht.
    «Das ist wie mit den Besserverdienenden-Kindern vom Rathenauplatz, denen immer der Arsch hinterhergetragen wird», erklärte ich. «Wo die Muttis sogar den Dreizehnjährigen noch ein Taschentuch an die Nase halten und sagen: ‹So, jetzt mach mal ganz doll pfft, pfft, pfft!› Weißte, was ich meine? Nike-Turnschuhe für 200 Euro, aber zu dumm, sie zu binden. So werden
meine
Pflanzen nicht!»
    «Ist ja gut, ich hab’s verstanden», brummte Stefan.
    «Meine Pflanzen sollen auf eigenen Füßen stehen. Also … Wurzeln, meine ich.»
    Mein Freund zuckte die Schultern. «Vielleicht sollten wir dann wenigstens über ein Bewässerungssystem nachdenken.»
    «Ich glaub, es geht los!», rief ich. «Erst soll ich sie düngen und jetzt auch noch an den Tropf hängen. Soll ich ihnen auch noch ein Jäckchen stricken, falls es nachts zu kalt wird? Das hier ist ein Balkon und keine Einrichtung für Betreutes Wachsen!»
    Stefan hob resignierend die Hände, doch ich war jetzt richtig in Fahrt.
    «Ich rufe gleich meine Tante Dora an. Die weiß bei Pflanzenfragen immer Bescheid. Pflanzen und Buttercremetorten. Was Dora sagt, ist Gesetz!»
    Als meine Tante abhob, legte ich sofort los. «Dora, hör mal, ich hab ein kleines Problem mit meinen Balkonpflanzen …»
    «Düngst du sie regelmäßig?», kam es aus der Leitung.
    «Öhm, nein», gab ich kleinlaut zu.
    «Dann brauchste dich nicht zu wundern. Noch ’ne Frage?»
    «Nein.»
    «Dann tschüs. Ich rühr hier grade ’ne Buttercreme …»
    Sie legte auf.
     
    Allein Stefans Grinsen war für mich Grund genug, die Pflanzen trotzdem nicht zu düngen. Und auch kein Bewässerungssystem zu kaufen. Ich habe mich stattdessen für das genaue Gegenteil entschieden und eine neue, radikale Art der Balkonbegrünung erfunden. Ich nenne es: Darwinistisches Gärtnern. Das funktioniert folgendermaßen: Pflanzen im Mai kaufen, in Kübel setzen, auf den Balkon stellen und ab dann weder gießen noch düngen. Einfach schauen, was passiert. Darwin eben: Survival of the fittest, natürliche Auslese, die härteste Pflanze gewinnt.
    Das Experiment ist noch nicht ganz abgeschlossen, aber ein Ergebnis lässt sich schon erahnen: So wie es aussieht, werde ich bald auf dem Balkon wesentlich mehr Platz haben. Zum Beispiel für einen schönen, großen Gasgrill.

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