Meuterei auf der Elsinore
Schachtmündung die gemeinsten Schimpfwörter an den Kopf, die er im Rinnstein New Yorks aufgelesen hatte. Ich gab ihm indessen keine Antwort mehr.
Als ich heute morgen sah, wie sich der Steward mit einem Behälter, der Schwefelsäure enthielt, abmühte, ahnte ich freilich nicht, was er beabsichtigte.
Ich hatte mir unterdessen eine andere Möglichkeit ausgedacht, diesen todbringenden Schacht unschädlich zu machen. Meine Idee war so einfach, daß ich mich direkt schämte, nicht früher darauf gekommen zu sein. Die Öffnung war an sich ja nicht sehr groß. Zwei Säcke Mehl in einem hölzernen Rahmen, die mit Tauen am Gesims des Kartenhauses aufgehängt wurden, so daß sie gerade vor der Öffnung herunterhingen, genügten vollkommen, um sie zu verdecken und jedes Revolverschießen wirkungslos zu machen. Kaum gefaßt, wurde der Plan auch schon zur Ausführung gebracht. Tom Spink und Louis standen mit mir auf der Decke des Kartenhauses, um die Mehlsäcke festzubinden, als wir eine Stimme aus dem Schacht hörten.
»Wer ist denn jetzt da?« fragte ich. »Sag schnell, was du willst.«
»Ich will Ihnen noch eine Chance geben«, antwortete Bert Rhine.
Gerade in diesem Augenblick kam der Steward um die Ecke des Hauses. Er trug einen großen verzinkten Eimer in der Hand, und ich dachte, daß er gekommen sei, um Regenwasser aus dem Tank zu holen. In derselben Sekunde, in der dieser Gedanke mir durch den Kopf schoß, schwang er den Eimer und schleuderte den ganzen Inhalt in den Schacht. Im selben Augenblick wußte ich, was es war: konzentrierte Schwefelsäure!
Der Bandit muß das flüssige Feuer ins Gesicht und in die Augen bekommen haben. Und infolge des plötzlichen Schmerzes muß er den Halt verloren haben, denn er fiel durch den ganzen Schacht bis auf die Kohlen im untersten Raum des Schiffes. Sein Geschrei und sein Gewimmer waren unerträglich anzuhören. Ich mußte unwillkürlich an die hungernden Ratten denken, deren Wimmern wir während der ersten Monate der Reise durch denselben Schacht hatten hören müssen. Ich ziehe es vor, daß Männer offen und redlich getötet werden.
Wir verdeckten den Schacht mit unseren Mehlsäcken. Allmählich hörte das Schreien auf – offenbar, weil das Opfer von seinen Kameraden über die Kohlen nach vorn geschleppt wurde. Und doch muß ich bekennen, daß mir den ganzen Nachmittag schlecht war. Zum Glück war Margaret unten, als es geschah. Als ich wenige Minuten später meine Selbstbeherrschung wiedergewonnen hatte, befahl ich meinen Leuten, ihr den Vorfall zu verschweigen.
Ja, wir haben auch schon dafür büßen müssen! Gestern hörten wir den ganzen Tag hindurch ein seltsames Geräusch unter dem Boden der Kajüte oder des Decks. Wir hörten es unter dem Eßtisch, unter der Pantry des Hofmeisters, unter Margarets Kajüte. Das Deck ist mit Planken belegt, aber unter den hölzernen Planken ist Stahl. Begleitet von Wada, Louis und dem Steward gingen Margaret und ich diesem seltsamen Geräusch nach, das bald wie das Klopfen von Hämmern, bald wie das Klirren von Meißeln gegen Eisen anzuhören war. Das Klopfen schien von überall zu kommen, aber wir waren uns einig, daß uns das nur ablenken sollte – die Konzentration auf eine Stelle, die notwendig war, um eine Öffnung zu schaffen, groß genug, daß ein Mann hindurchkriechen könnte, hätte unvermeidlich unsere Aufmerksamkeit auf diese Stelle lenken müssen.
Ich entband Buckwheat deshalb von aller Arbeit an Deck und stellte ihn auf Posten, um den Kajütenboden zu überwachen. Während Margarets Wache sollte ihn dann der Steward ablösen.
Spät am Nachmittag hörte jedes Geräusch auf, nachdem an verschiedenen Stellen wie wahnsinnig gehämmert und gemeißelt worden war. Als ich gegen Mitternacht auf Deck ging, löste Buckwheat wieder den Steward in der Überwachung der Kajüte ab. Als ich mich an den Kampanjebogen lehnte, während meine vier Wachstunden langsam vorüberglitten, ahnte ich nicht im geringsten, welche Gefahr uns von der Hütte her drohte. Die Schurken konnten vielleicht die Kampanje entern oder in die Wanten und von dort aus zu uns herunterspringen. Wie sie uns aber durch den Boden angreifen wollten, das wollte mir durchaus nicht einleuchten. Und doch taten sie es!
Es war gegen zwei Uhr morgens geworden, und ich hatte mir schon eine Stunde lang den Kopf zerbrochen, weil aus der Back Rauch aufstieg und ich durchaus nicht verstehen konnte, warum die Meuterer zu einer so gottverlassenen Stunde Dampf unter der
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