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Meuterei auf der Elsinore

Meuterei auf der Elsinore

Titel: Meuterei auf der Elsinore Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack London
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Wunsch hatte, alles zu unserer Zufriedenheit auszuführen.
    Der Steward hat mir soeben einen Rat zugeflüstert.
    »Nächstenmal wir einen wie Henry über Bord werfen, besser alter Eisen als Kohle brauchen.«
    »Gehen unsere Kohlen auf die Neige?« fragte ich.
    Er nickte. Wir brauchen viel Kohle zum Kochen, und wenn unser eigener Vorrat aufgebraucht ist, müssen wir ein Schott durchschlagen, um uns Kohlen aus der Fracht zu holen.
    Die Situation beginnt sich zuzuspitzen. Seevögel gibt es nicht mehr, bei den Meuterern meldet sich der Hunger. Gestern hatte ich eine Unterredung mit Bert Rhine. Heute sprach ich wieder mit ihm, und diese kurze Unterredung wird er nie vergessen.
    Es war gegen fünf Uhr nachmittags, als ich plötzlich seine Stimme durch die Schachtmündung in der Rückwand des Kartenhauses hörte. Ich stand an der Ecke des Hauses, also außer Schußbereich, und antwortete ihm von dort aus.
    »Na, ihr habt wohl Hunger bekommen?« höhnte ich. »Ich will euch mal erzählen, was wir heute zum Mittagessen haben. Hör mal zu, mein Junge: zuerst Kaviar mit Toast, dann Muschelsuppe, dann Hummer in Mayonnaise, Hammelkoteletts mit französischen Erbsen und dann kalifornischen Spargel mit holländischer Soße. Danach gibt es Pfirsichpudding und endlich Kaffee, richtigen Bohnenkaffee. Wirst du nicht hungrig?«
    Ich habe übrigens gar nicht so sehr geflunkert. Was ich schilderte, war tatsächlich so ungefähr, was wir zu Mittag haben sollten.
    »Hören Sie auf«, zischte er. »Ich will ernsthaft mit Ihnen reden.«
    »So, wirklich?« höhnte ich. »Sehr schön. Wann gedenkt ihr denn die Arbeit wieder aufzunehmen?«
    »Lassen Sie den Unsinn«, fauchte er zurück. »Ich werde euch geben, was ihr in dieser Welt noch braucht. Ich will Ihnen gerade was erzählen.«
    »Du mußt schon entschuldigen, mein Junge, aber ich bin ein bißchen schwer von Begriff«, antwortete ich. »Du mußt schon etwas deutlicher werden.«
    Und während ich mit ihm sprach, merkte ich, wie natürlich es mir fiel, Ausdrücke zu finden, die ihm am verständlichsten waren. Ihm gegenüber mußte ich mich der elementarsten Sprache von Leben und Tod, Essen und Trinken, Roheit und Grausamkeit bedienen.
    »Ich will euch eine Chance geben«, fuhr er fort. »Gebt jetzt nach, und wir werden euch nichts tun, keinem von euch!«
    »Und wenn wir nun nicht darauf eingehen«, warf ich hin.
    »Dann werden Sie bedauern, daß Ihre Mutter Sie je geboren hat! Sie sind kein Dummkopf! Sie haben hier an Bord ein kleines Mädchen, das ganz verrückt nach Ihnen ist. Verstehen Sie?«
    O ja, ich verstand wohl, was er meinte. Und aus irgendeinem Grunde tauchte in meinem Gehirn ein Bild dessen auf, was ich über die Belagerung der Gesandtschaften in Peking gelesen hatte und was die weißen Männer in bezug auf ihre Frauen beabsichtigt hatten für den Fall, daß die Gelben die letzten Verteidigungslinien durchbrechen sollten. Und der alte Steward verstand es auch – denn in seinen schwarzen Augen sah ich, hinter den schiefen engen Lidern, ein mörderisches Feuer aufglimmen. Er wußte nur zu gut, worauf der Bandit hinzielte.
    »Verstehen Sie, was ich meine?« fragte der Bandit wieder.
    Ich fühlte meinen Zorn aufsteigen. Keinen heißen Zorn, sondern eine eiskalte Wut. Und ich entflammte noch mehr. Es war kein roter, tierischer Zorn. Er entstammte dem Hirn. Er entsprang dem Denken und der Geschichte. Einem Denken und einer Geschichte, die sich zu einer besonderen Lebensweisheit entwickelt haben. Es ist kein Kraftmeiertum, sondern ein Bewußtsein des eigenen Wertes und des Wertes derjenigen, die ihre Pflicht erfüllen. Ich begriff, daß es Unterschiede gibt zwischen den Menschen, und besonders an Bord eines Kohlenfrachters wie die Elsinore. Manchmal fühle ich mich wie ein König in seinem Reich an der Seite einer geliebten Frau im Bewußtsein der Sauberkeit meines Wollens. Ich sehe den Unterschied zwischen mir und denjenigen unter der Mannschaft, die den Weg der Rechtschaffenheit und der Pflicht verlassen haben. Darum lehne ich mich auf gegen jeden Banditen.
    Mein Zorn war weiß und kalt.
    Diese menschliche Bestie, diese unterirdische Ratte wagte es, durch die untersten Räume des Schiffes zu kriechen, um mir und den Meinen zu drohen?
    »Wenn du wie ein räudiger Köter auf deinem dreckigen Bauch über das Deck kriechst, wenn du zeigst, daß du froh bist, überhaupt arbeiten zu dürfen, erst dann werde ich weiter mit dir reden. Verstanden?«
    Zehn Minuten lang warf er mir durch die

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