Meuterei auf der Elsinore
verschlossen wären! Leben und Tod hingen davon ab.
Endlich erreichte ich die oberste Stufe der Treppe, aber ich war schon zu erschöpft, um aufstehen zu können. Ich schleppte mich am Boden entlang. Es waren in Wirklichkeit nur wenige Fuß von der Treppe bis zur Tür – aber während ich mich diese paar Fuß weiterschleppte, starb ich eines mehrfachen schmerzhaften Todes.
Die Tür stand offen! Sowohl die Tür nach Steuerbord wie die nach Backbord stand sperrangelweit offen. Und als die Elsinore schlingerte, sauste ein Windzug durch den Gang und füllte meine Lunge mit frischer, kühler Luft. Margaret hinter mir herziehend, schleppte ich mich über die hohe Türschwelle und hörte wie aus weiter Ferne das Brüllen kämpfender Männer und das Knallen der Revolver und meines Stutzens. Und ehe ich in Bewußtlosigkeit versank, sah ich, wenn auch nur traumhaft und entfernt, die scharfen Silhouetten von Männern auf der Kampanje, dunkle Schatten, die hieben, fochten und schlugen… und das alles überragte der Kreuzmast, hell von meinen Feuerwerkskörpern beleuchtet.
Es gelang den Meuterern nicht, die Kampanje zu erstürmen. Meine fünf Asiaten und die beiden Weißen verteidigten die Festung mit Erfolg, während Margaret und ich bewußtlos dalagen.
Die Sache war an sich ganz einfach. Die modernen Quarantänebestimmungen fordern, daß auf einem Schiff kein Ungeziefer geduldet wird. Im Donkey-Maschinenraum ist deshalb eine vollständige Desinfektionsanstalt eingerichtet. Die Meuterer brauchten also nichts zu tun, als Röhren achteraus über die Kohlen zu legen, ein Loch durch den Doppelboden aus Stahl und Holz in der Kajüte zu bohren, eine Verbindung mit dem Desinfektionsapparat herzustellen und dann den Kessel zu heizen. Wir wären also von unseren Banditen fast wie die Ratten ausgeräuchert worden.
Wada hatte die eine, der alte Steward die andere Tür des Kartenhauses geöffnet. Sie hatten beide den Versuch gemacht, die Treppe hinabzugelangen, waren aber von den furchtbaren Dämpfen zurückgetrieben worden. Dann hatten sie sich am Kampf beteiligen müssen, um den Sturm auf die Kampanje abzuschlagen.
Erst jetzt, nach fünf bis sechs Stunden, können Margaret und ich wieder unbehindert atmen. Aber meine Lunge war doch nicht so wund, daß ich ihr nicht hätte erzählen können, was sie nach meinem letzten Erlebnis für mich bedeutet.
Liebe ist wirklich etwas Wundervolles. Kein Mann gelangt jemals höher als zur Liebe. Tief, tief unter ihm liegen dann Streben und Streiten aller philosophischen Dunkelmänner. Denn wer nicht geliebt hat, hat die letzte und tiefste Süße des Lebens nicht gekostet.
Die letzten vierundzwanzig Stunden haben uns viele Überraschungen gebracht. Erstens hätten wir gestern während der Plattfußwache beinahe unseren alten Steward verloren. Es war einem der Meuterer gelungen, ein Messer durch die Schlitze der Schachtmündung zu stechen und die Mehlsäcke aufzuschneiden. In der Dunkelheit war dann das ganze Mehl hinausgelaufen, ohne daß wir es bemerkt hatten.
Der Mann, der dahinter stand, konnte selbstverständlich nicht durch die Hülle der leeren Säcke sehen, als er aber den Steward in seinen Pantoffeln vorbeischlürfen hörte, schoß er, ohne zu zielen, auf so kurze Entfernung, daß er hätte treffen müssen. Zum Glück schoß er dennoch vorbei, aber dem Steward wurden Hals und Backe vom Pulver verbrannt.
Während der Dianawache, um sechs Glasen, kam eine weitere Überraschung. Als ich an der Brüstung der Kampanje stand und Wache hielt, kam Tom Spink zu mir gestürzt. Seine Stimme zitterte merkbar, als er sagte: »Gott sei mir gnädig, Herr, jetzt sind sie da.«
»Wer?« fragte ich barsch.
»Sie«, stammelte er. »Die Gespenster, die bei Kap Hoorn an Bord kamen, Herr, die drei toten Seeleute. Sie stehen hier achtern, Herr, die drei, neben dem Ruder.«
»Wo sind sie denn hergekommen?«
»Das ist’s ja eben. Herr. Sie sind durch die Luft geflogen, sie sind eben Gespenster.«
Der arme Tom seufzte.
»Aber es sind ja Wanten genug da, so daß sie vom Mittelmast in den Kreuzmast entern konnten«, sagte ich. »Schick mir Wada mal her.«
Als Wada mich abgelöst hatte, ging ich achteraus. Und da standen tatsächlich unsere drei fahlhaarigen Sturmwaisen mit den topasfarbenen Augen. Im Schein der Blendlaterne, die Louis auf sie richtete, glichen ihre Augen mehr als je denen großer Katzen. Und so wahr ich lebe: Sie spannen auch noch wie die Katzen – tatsächlich klangen die dumpfen
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