Mexiko, mein anderes Leben (German Edition)
Urberliner war. Allein der Gedanke, ich könnte vielleicht nicht mehr in meiner geliebten Heimat leben, ließ mich erschauern.
Aber trotzdem schrieb auch ich ihm täglich lange Briefe zurück. Er wollte alles von mir wissen: von meiner Trennung, von meinem vergangenen Leben, von meinen Gefühlen und wie es mir jetzt ging. So lernten wir uns kennen. Mit seiner Frau und den gemeinsamen drei Kindern war er aus Deutschland in die Ferne ausgewandert. Aber nach 30 Jahren Ehe wurde er verlassen. Seine ganze Geschichte bewegte mich und sein Leben hörte sich sehr interessant, aber auch vollkommen fremd für mich an, aufregender und abwechslungsreicher als mein Dasein und ich wurde immer neugieriger. Schon beim Lesen seiner Briefe fühlte ich mich wie in einem Abenteuer. Zwanzig Jahre hatte er als Handwerker in Berlin gearbeitet, doch das war ihm dann genug. Danach managte er in Berlin-Kreuzberg eine legendäre Szenekneipe der achtziger Jahre. Aber seine Neugier auf fremde Länder war so tief in ihm verwurzelt, dass er als Investor mit seiner Familie nach Kanada auswanderte. Dort hatte er zusammen mit einem Freund eine Firma gegründet und Häuser gebaut. Nach zwei Jahren begann er dann eine Fastfood-Kette zu managen.
So ein Leben zu führen war mir unvorstellbar, wo ich doch nur meine Arbeit als Kindergärtnerin und meine Malerei kannte. Und jetzt saß dieser welterfahrene Lebenskünstler vor seinem Computer und schrieb mir täglich lange Briefe. An mich, die konservative Kleinstadtfrau, die selten aus ihrem Land herausgekommen war und von der großen, weiten Welt kaum etwas gesehen hatte.
Ich wollte immer mehr wissen. Auch seine furchtbaren Trennungserlebnisse bewegten mich sehr, aber eine Chance hatte er trotzdem nicht. Darüber musste und wollte ich gar nicht nachdenken. Für mich war es ein nur ein interessanter Gedankenaustausch und das sollte auch so bleiben.
Mein Leben plätscherte so dahin. Es gab nichts Aufregendes neben meiner Arbeit und der Malerei. Da es auch tiefer Winter war, ereignete sich fast gar nichts. Wenn ich vom Kindergarten nach Hause kam, suchte und fand ich Ablenkung in meinem Hobby. Dazu kamen die wundervollen Briefe von Robert und eigentlich war ich zufrieden. Zwei Monate tauschten wir fast täglich über E-Mail unsere Gedanken aus und ich war richtig traurig, wenn kein Brief von ihm in meinem Postfach war, denn diese gehörten doch schon zu meinem Tagesablauf dazu. Seine Briefe waren so wunderbar und vermochten gleichzeitig mein Leben zu bereichern. Außerdem fühlten wir uns durch unser ähnliches Schicksal sehr verbunden.
Kapitel 2
Anfang März 2004 teilte mir Robert mit, dass er sich mit mir treffen wollte. In mir schrie alles: Nein, das darf nicht sein! Es sollte doch alles so bleiben, wie es war! Ich hatte Angst, diese Illusion zu verlieren. Außerdem, wie sollte das gehen? Bei dieser Entfernung kann man sich nicht nur kurz auf einen Kaffee treffen, um sich dann wieder schnell zu trennen, wenn es nicht so ist, wie man denkt. Für mich stand fest: kein Treffen mit dem Mann aus Kanada! Aber Robert ließ sich nicht abwimmeln. Stattdessen teilte er mir mit, er habe den Flug nach Deutschland schon gebucht. Regelrechte Unordnung entstand in meinem neu geordneten Leben. Doch konnte ich es verantworten, ihn jetzt im Stich zu lassen, wo er so viel für ein Flugticket von Kanada nach Deutschland bezahlt hatte, nur um mich zu sehen? Erst wollte ich mich weigern ihn zu treffen, denn schließlich hatte ich in den vergangenen drei Monaten mein Leben geordnet und daran sollte ich nichts ändern. Ich überlegte: Kann es nicht auch eine reine Brieffreundschaft zwischen Mann und Frau geben? Aber vielleicht sollte dieses Treffen auch eine Gelegenheit sein, aus meiner verträumten Heimatstadt einmal herauszukommen? Und nur so kam ich mit dem Gedanken an unsere Begegnung klar, anders ging es einfach nicht. Also traf ich eine Entscheidung: Ich würde Robert treffen!
Dann war es soweit: Roberts Flieger landete in München. Da ich kein Auto hatte, fuhr ich mit einem ICE. Obwohl ich sonst sehr gerne mit der Bahn fahre, war diese Reise schrecklich. Mir ging es richtig schlecht, denn ständiges Herzrasen und schlotternde Knie waren meine Begleiter. Voller Unruhe rannte ich immer hin und her. Die Mitreisenden hatten schon richtig Mitleid, denn kaum hatte ich meinen Kaffee ausgetrunken, musste ich schon wieder zur Toilette.
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