Mexiko, mein anderes Leben (German Edition)
wurden. Robert war genauso vom Pfeil der Liebe getroffen wie ich.
In dieser Kapelle lag ein großes Buch, in welches schon viele Menschen ihre Hoffnungen und Wünsche, ihre Verzweiflung und Trauer, aber auch ihr Glück festgehalten hatten. Auch wir wollten in dieses Buch schreiben, was uns widerfahren war. Wir kannten uns schon sehr gut aus der Entfernung, doch hier hatten wir uns gefunden. Und wir waren uns sicher, dass wir uns nie mehr verlieren und einen Weg finden würden, um immer zusammen zu sein. Mit zitternder Hand schrieb ich in das Buch: „Hier sind zwei Menschen angekommen, die wissen, dass sie zusammengehören. Wir kennen das Ziel und suchen nach dem Weg, der uns dahin führen kann.“
Wie lange wir dort wie verzaubert standen, weiß ich nicht mehr, aber es waren Minuten, die ich nie vergessen werde. Die Zeit hätte stehenbleiben können, doch die Schatten des Abschieds zogen schon herauf, denn Robert wollte noch seinen Freund Heinz in München besuchen und ich musste am nächsten Tag wieder zur Arbeit.
Mein Herz fühlte sich so federleicht an, als ich in den Wolken des Glückes schwebte, und dann wieder so unendlich schwer, wenn ich an den Moment des Abschieds dachte. Aber auch Robert ging es nicht viel besser und die Trennung auf dem Bahnsteig war herzzerreißend wie in einem Rosamunde-Pilcher-Film.
So kehrte ich in meine Einzimmerwohnung zurück. Das, was wir beide die letzten Tage erlebt hatten, klang noch lange in mir nach. Ich war zwar wieder alleine, doch dieses Alleinsein war keine Einsamkeit mehr. Ja, ich schwebte in den Wolken, denn mein Traummann hatte mich gefunden, obwohl ich gar nicht mehr gefunden werden wollte. Aber es war geschehen und uns beiden war bewusst: Wir sind füreinander bestimmt.
Über die Jahre hatte ich verlernt, mit diesem Gefühl der absoluten Verliebtheit umzugehen. Doch da gab es nun einen Menschen, einen Mann, für den ich das Wichtigste auf Erden war. Die warmen Strahlen der Lebenssonne durchfluteten meine Seele und umgaben mich wie ein Zauber. Ich, die immer im Schatten von irgendetwas gelebt hatte, konnte spüren, wie mein Inneres in leuchtenden Farben erblühte.
Nachdem Robert die Woche bei seinem Freund verbracht hatte, gab es auch für ihn kein Halten mehr, denn ihm erging es so wie mir: Wir fühlten uns vom Nektar des Lebens getrennt. Wir wollten nur noch zusammen zu sein. Mit nur einem Koffer zog Robert in meine kleine Wohnung ein. Es war eine traumhaft schöne Zeit, die wir miteinander verbringen durften. Endlich wieder Liebe atmen, endlich geliebt werden und es auch zurückgeben. Nachts träumten wir in meiner seidenen Rosenbettwäsche von unserer gemeinsamen Zukunft. Wir wünschten uns, dass diese Nächte nie enden, doch das konnten wir nicht verhindern. Es war so wunderbar, morgens von Robert zum Kindergarten gefahren zu werden. Ich konnte den Feierabend kaum erwarten, wenn er mich wieder abholte. An den Wochenenden erkundeten wir Deutschland. Als Krönung gönnten wir uns einige Tage in Venedig. Ein richtig traumhaft kitschiges Timeout für unendlich ineinander Verliebte. Es umgab uns ein nicht enden wollendes Glücksgefühl, denn alles war so einfach, unkompliziert und schön. Nur der Moment zählte! Und das, obwohl oder vielleicht auch gerade, weil wir wussten, dass es nicht ewig so weitergehen würde. Aber wir hatten zu lange auf dieses große Glück gewartet und wollten nun alles nachholen. Es war wie ein Wunder: Als ich aufgehört hatte zu suchen, wurde ich gefunden. Mein größter Wunsch nach der wahren Liebe erfüllte sich
ausgerechnet durch Robert, den Mann von einem anderen Kontinent, dem ich niemals eine Chance hatte geben wollen.
Unser Dolce Vita endete im Juni 2004, denn Robert wollte für drei Wochen zurück nach Kanada, um bei der Hochzeit seines Sohnes dabei zu sein. Der Gedanke an die Trennung war furchtbar. Wir suchten nach einer Lösung, die uns ein Zusammensein auf Dauer ermöglichen würde, und waren felsenfest überzeugt: Wir werden einen Weg finden!
Nachdem Robert seinen Rückflug angetreten hatte, war ich wieder allein in meiner Wohnung. Ich wachte morgens alleine auf, alleine fuhr ich mit dem Fahrrad zur Arbeit und alleine radelte ich nachmittags nach Hause. Robert war nicht mehr da und alles wirkte auf mich wie das böse Erwachen aus einem schönen Traum. Meine kleine Wohnung erschien mir plötzlich
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