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Mexiko, mein anderes Leben (German Edition)

Mexiko, mein anderes Leben (German Edition)

Titel: Mexiko, mein anderes Leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Klimm
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hasste. Wie von einer kleinen Sparflamme angetrieben funktionierte ich nur noch. Mein Körper hatte das Leben in den zurückliegenden Wochen und Monaten wie durch einen Nebeldunst er-, aber nicht wirklich gelebt. Wäre durch meine ungeliebte Wohnung in den nächsten Stunden ein Sturm gezogen, so wäre die Flamme vermutlich erloschen. Doch ich spürte keinen Wind, nicht einmal einen kleinen Hauch. Dafür aber breiteten sich in meinem Körper eine unendliche Einsamkeit und tiefe Trauer aus. Beides versuchte, immer mehr von mir Besitz zu ergreifen. Ich wollte das nicht zulassen, doch ich war an diesem Sonntagmorgen einfach zu schwach, um dagegen anzukämpfen. Meine Gedanken versanken in der sehnsuchtsvollen Erinnerung an die Vergangenheit. Nicht der lieblichste Rotwein hätte es vermocht, mich daran zu hindern, nun hemmungslos zu weinen. Wie unter der Last von schweren Gewichten quälte ich mich aus diesem Bett und schleppte mich in das Badezimmer. Der Blick in den Spiegel ließ mich erschauern. Wer war diese traurige und hässliche Frau? Ich sprach zu mir selbst und hoffte auf Antwort, doch diese kam nicht. Aber stattdessen durfte ich eine neue Erfahrung machen: Ich vermochte zu sprechen, zwar nur zu mir, aber dieses Sprechen befreite mich aus meiner Angst vor der Einsamkeit.
           Diese Einsamkeit. Immer und immer wieder fragte ich mich: Was habe ich übersehen, was habe ich falsch gemacht, was war passiert? Wie konnte es sein, dass ich nach 23 Jahren Ehe nun allein vorm Badezimmerspiegel in meiner mir fremden Wohnung stand? Was sollte ich mit meiner unfreiwillig wiedererlangten Freiheit anfangen? Eigentlich wollte ich nichts anderes als mein vergangenes Leben fortsetzen. Ich wollte wieder bei meinen Kindern und meinem Mann sein. Es genießen, den Sonntagmorgen in unserem gemeinsamen Haus zu verbringen. Am Frühstückstisch mit der ganzen Familie sitzen und Pläne für den neuen Tag schmieden. Lachen, reden, durch den Garten laufen und die Katzen bei ihrem Spiel beobachten.
           Doch diese Familie war zerbrochen und meine Wünsche waren eine Illusion. Ich musste endlich begreifen: Es war vorbei. Für immer und ewig vorbei und niemals wieder zurückzuholen. Ich wollte es ja verstehen. Ich wusste: Ich musste mein Schicksal annehmen, wenn ich überleben wollte! Aber ich konnte es nicht. Ich wehrte mich mit all meinen verbliebenen Kräften dagegen. Doch es fiel mir so unsagbar schwer. Ich wollte, ich konnte einfach nicht akzeptieren, dass mein Mann mich ausgetauscht hatte gegen eine andere Frau. Wie konnte mein geliebter Ehemann und der Vater meiner Kinder so zum Verräter an der Familie werden? Dabei waren wir doch erst vor drei Jahren in unser neu erbautes Eigenheim im Grünen gezogen! Nur drei Jahre, bis dieses Glück wie ein Scherbenhaufen zerfiel. Simone war damals 20 und Christian 13 Jahre alt. Ich hätte so viel darum gegeben, dass Christian mit mir in diese neue Wohnung geht, aber er wollte seine gewohnte Umgebung nicht verlassen, und zwingen wollte und konnte ich ihn nicht. Das machte mich sehr traurig und ich fühlte mich noch einsamer. Simone war gerade dabei, sich zusammen mit ihrem Freund ihre erste Wohnung zu suchen.
           Mir wurde zugleich immer klarer und bewusster, dass ich meinen ganzen Lebensinhalt verloren hatte. Es gab nichts mehr, das mich ausfüllte und meinem Leben einen Sinn gab. Nicht mehr für die Familie einkaufen, für sie Essen kochen oder für Ordnung sorgen in Haus und Garten. Nicht mehr abends für Mann und Kinder den Tisch decken, nicht einmal Frühstücksbrote konnte ich ihnen vorbereiten. Es war so schwer zu begreifen: Rein gar nichts konnte ich jetzt noch für sie tun. Ich war überflüssig geworden und wurde nicht mehr gebraucht. Die Nabelschnur zu meinem bisherigen Leben war durchtrennt worden, einfach durch-geschnitten. Nun musste ich lernen, allein zu leben. Neugeborene beginnen ihr Leben mit kräftigem Geschrei und so begann auch ich mein neues Leben. Ich weinte jämmerlich und ich ließ zu, dass es so begann. Mit einem großen Unterschied, ich war kein Neugeborenes mehr, sondern wurde bald 43 Jahre alt. Bis gestern hatte ich noch bei meinem Mann und meinen Kindern gelebt und nun war ich ein Single mit einer kleinen Wohnung sowie der grenzenlosen Freiheit mein Leben neu zu gestalten.
           In den nächsten Tagen und Wochen versuchte ich, mir selbst innere Stärke zu beweisen, um die Vergangenheit zu verdrängen und die Gegenwart zu akzeptieren.

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