096 - Kreuzfahrt des Grauens
Liebe Mit-Vampire!
Werwölfe der siebziger Jahre! Vampire in der Großstadt!
Die Friedhöfe tun sich auf, und die rastlosen Toten tragen ein wenig zum Problem der Umweltverschmutzung bei.
Ist es nicht erstaunlich, wie leicht sich die Gestalten des klassischen Horrors in den modernen Schauerroman einfügen? Während wir über ihr Walten auf alten Schlössern nur noch mit einem müden Lächeln reagieren, vermögen sie uns in unserer modernen Umwelt doch noch einen gehörigen Schauder einzujagen.
Werfen wir einen Blick auf die Entwicklung des Schauerromans, und wir sehen wie beim Fantasy-Roman, das die frühen Dichtungen aus der Realität geboren wurden und aus einem magischen Weltverständnis heraus, in dem Dämonen ihren festen Platz haben.
Als Horace Walpole 1764 sein Buch Die Burg von Otranto (The Castle of Otranto) veröffentlichte, wurden in Deutschland noch immer Menschen als Hexen verbrannt, ebenso in Italien, in der Schweiz, und in Polen bis in die neunziger Jahre. In England und Amerika nicht minder, und selbst wo die Vernunft wenige Jahre zuvor eingekehrt war, waren die Wunden noch frisch. Walpole wird heute einmütig als der Begründer des Schauerromans angesehen. Zwar gab es auch schon vor ihm Ritter- und Räuberromane mit übernatürlichen Elementen, doch blieben sie ohne Einfluß auf die Entstehung und Entwicklung des Horror-Romans. Auch Die Burg von Otranto kann selbst nicht so ohne weiteres als Horror-Roman bezeichnet werden. Walpoles Anliegen und seine Stärke liegen in der Darstellung eines mittelalterlichen Bildes mit Rittertum, Kreuzzügen, Romanzen. Tragender Bestandteil des Romans ist eine Prophezeiung, die durch das von übernatürlichen Mächten geleitete Handeln der einzelnen Figuren ihre Erfüllung erfährt.
Otranto ist das, was man einen „Gotischen Roman“ (Gothic Novel) nennt. Dabei ist das Wort „gotisch“ etwa gleichbedeutend mit „mittelalterlich“. Somit sind Rittertum, Kreuzzüge, Inquisition, klassisches Räubertum und Romanzen echte Bestandteile des „gotischen“ Romans. Es bedarf einer gotischen (mittelalterlichen) Weltanschauung, die Schwarze Magie, Teufelserscheinungen, Vampire, Werwölfe, Geister und Hexen und eine weltliche und klerikale Tyrannenherrschaft kennt, um die wesentliche Rolle des Grotesken und Übernatürlichen in den „Gothics“ zu verstehen. Der authentische landschaftliche, architektonische und vor allem geistige Hintergrund bildet eine starke Parallele zum „Historischen Roman“.
Zu den berühmten „gotischen“ Werken gehört auch Charles Robert Maturins Melmoth der Wanderer, der 1820 erschien und mit dem die große Zeit der „Gothics“ bereits endet. Denn die folgenden Horror-Romane verlassen die mittelalterliche Kulisse und übersiedeln in das 19. Jahrhundert unter Beibehaltung und romantischer und psychologischer Verfeinerung der Thematik, der gespenstischen, unheimlichen, düsteren Handlungen.
Die Romane Anne Radcliffs, Emily Brontes, Wilkie Collins’ mit ihren Geschichten um Familientragödien, unheimliche Intrigen und Morde bilden eine andere Gattung, den „Viktorianischen Roman“, den Vorläufer dessen, was wir heute als „Romantic Thriller“ und „Gaslichtroman“ angeboten bekommen. Mit Edgar Allen Poes „Geschichten des Grotesken und Arabesken“ erfährt der Horror erstmals stark psychologische Züge, ein Gebiet, das sich im 20. Jahrhundert, vor allem bedingt durch das gagbetonte Medium Kurzgeschichte und Novelle, explosionsartig in die verschiedensten Richtungen ausbreitet, bis zum Science-Fiction-beeinflußten, spekulativen Horror und zum Parodistischen hin.
Innerhalb dieser Gruppen gibt es natürlich wiederum die verschiedensten Gattungen; Monster- Geister- Terrorstories, Kriminalgeschichten und Liebesgeschichten. In jeder ist jedoch ein mehr oder weniger starker Hang zum Übernatürlichen, Dämonischen deutlich, oder zum psychisch Abnormen.
Der Vormarsch der Wissenschaft hat den Glauben an das Übernatürliche, den Aberglauben, weitgehend fortgeschwemmt. Nur die Spuren sind zurückgeblieben, die alten Ängste, bereit, dann und wann wieder aufzulodern, wenn man allein mit der Nacht ist und mit den Gedanken. Der Schauer ist zur Sensation geworden, die Gänsehaut zum Hunger. Aberglauben, Legenden, Mythen und unerklärliche Begebenheiten vermischen sich heute. Der moderne Horror-Roman (und sein Autor) kann aus der Fülle jahrtausendealter Ängste und Kulte der Menschheit heraussuchen wie aus einem
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