Mias verlorene Liebe
weil du alle meine Versuche abgewehrt hast, mich mit dir zu treffen?“
Das war ja wohl selbstverständlich, dachte Mia. Nach Kays Selbstmord machte die Affäre ihres Vaters mit Ethans Mutter Schlagzeilen. Wie hätte sie denn handeln sollen, als die Zeitungen die Liebesgeschichte genüsslich an die Öffentlichkeit zerrten und Mia so jede kleinste Einzelheit darüber erfuhr? Sogar über ihre eigene kurze Beziehung mit Ethan konnte sie alles lesen.
„Du hast mich damals lediglich benutzt. Mich nur …“ Ihre Stimme brach.
Sie würde nicht wieder auf ihn hereinfallen, ganz egal welche Druckmittel Ethan auch einzusetzen versuchte. Ihr fehlte einfach die Kraft, ein zweites Mal diese Achterbahn der Gefühle durchzustehen.
Am schwersten fiel es Mia jedoch, von ihrem Vater, den sie abgöttisch geliebt hatte, enttäuscht worden zu sein. Und auch Grace Black hatte sie sehr gemocht, zumindest während der zwei Jahre in ihrem Internat – bis sie herausfand, was da vor sich ging.
Was ihre Gefühle für Ethan anging …
Jahrelang himmelte sie ihn von Weitem an, war schon bis über beide Ohren in ihn verliebt, als er sie zum ersten Mal um ein Rendezvous bat. Sie hätte alles für ihn getan. Und zur gleichen Zeit machte sich seine Mutter an Mias Vater heran …
Sie verbarg das Gesicht in den Händen. „Ich möchte nicht mehr darüber reden. Es ist schon alles gesagt.“
Ethan blickte zu ihr hinunter. Wie schmal ihr Gesicht geworden ist! Sie war so blass, und in den Augen lag ein gehetzter Ausdruck. Ihre Nerven schienen zum Zerreißen gespannt.
Ihm war durchaus bewusst, wie schmerzlich die Ereignisse der Vergangenheit für Mia waren … wie sehr sie immer noch davon verfolgt wurde. Aber natürlich glaubte sie das nicht, sie schien ihm überhaupt nichts mehr zu glauben. Dass auch ihn die Beziehung seiner Mutter zu Mias Vater zutiefst schockiert hatte – zumindest so lange, bis die beiden ihn über die tatsächliche Situation aufklärten.
Die Wahrheit stellte sich als dermaßen ungeheuerlich heraus, dass William beschloss, Mia vor ihr zu schützen. Auch wenn das bedeutete, die Liebe seiner Tochter zu verlieren. Aber er wollte ihr einfach das Andenken ihrer Mutter bewahren.
Ethan vergrub die Hände in den Manteltaschen. „Du weißt ja bestimmt noch, wo das Büro von Burton Industries ist? Für den Fall, dass du deine Meinung änderst und doch noch mit mir reden möchtest.“
Mia nickte, ohne aufzublicken.
„Aber das hast du nicht vor, richtig?“
„Richtig.“
Ethan erinnerte sich noch genau daran, wie er Mia zum ersten Mal gesehen hatte. Er war zweiundzwanzig und schrieb gerade an seiner Doktorarbeit in Wirtschaftswissenschaften, und Mia war sechzehn. Sie war neu an der Schule, die seine Mutter leitete. Mias Vater hielt es damals für sinnvoll, sie in ein Internat zu geben. Der Unfall ihrer Mutter lag gerade erst ein Jahr zurück, und Kay saß mit entstelltem Gesicht im Rollstuhl, verbittert und unfähig, sich um ihre Tochter zu kümmern.
Mia war zum ersten Mal von zu Hause fort und fühlte sich offensichtlich sehr unsicher, als sie eines Tages mit ihren Mitschülerinnen zum Tee bei der Schulleiterin eingeladen war.
Sie stand still in einer Ecke des Wohnzimmers – so ganz anders als die anderen Mädchen ihres Alters, die ungeniert um die Aufmerksamkeit des Sohnes ihrer Direktorin warben. Sie wirkte wie ein scheues Reh mit ihren großen Augen und den langen blonden Haaren, die ihr offen bis zur Taille fielen.
Ethan empfand Mitgefühl. Er konnte sich vorstellen, wie fremd sie sich fühlen musste. Sie war ja ganz neu im Internat und konnte noch keine Freundschaften geschlossen haben. Deshalb fand er es selbstverständlich, sich um sie zu kümmern, ihr die Nervosität zu nehmen. Und so hatte sich nach und nach eine Art Freundschaft zwischen ihnen entwickelt.
Eine Freundschaft auf Raten sozusagen, da Ethan ja studierte und nur gelegentlich nach Hause kam. Bei diesen Besuchen war es ihm jedes Mal besonders wichtig, sich mit Mia zu treffen.
Es erschien Ethan nur natürlich, den Posten anzunehmen, den William ihm nach Abschluss des Studiums in seinem Unternehmen anbot. Als er anlässlich einer Weihnachtsfeier dort auch Mia wiedersah, hatte sie sich verändert: Strahlend schön stand sie in einem eng anliegenden roten Abendkleid als perfekte Gastgeberin an der Seite ihres Vaters. Sie sah bezaubernd aus – aus dem jungen scheuen Mädchen war eine Frau geworden, und Ethan gestand sich ein, dass er sich von dieser
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