Michel bringt die Welt in Ordnung
Backhorva ist alles erbärmlich und elend«, sagte er abends in der Kammer zu Michels Mama, als sie schlafen gingen. »Es liegt irgendein Fluch auf all ihren Tieren, das merkt man ganz deutlich.«
Michel, der hinten in seinem Bett lag, hörte das und steckte sofort die Nase über die Bettkante.
»Ich kann das Schwein nehmen«, sagte er. »Mir macht es nichts aus, wenn es verflucht ist.«
Aber das mochte Michels Papa nicht hören.
»Du willst immer nur haben und haben«, sagte er bitter. »Und ich? Soll ich niemals etwas haben?«
Da schwieg Michel und erwähnte das Ferkel eine Zeit lang nicht mehr. Es war übrigens ein außergewöhnlich elendes Schweinchen, dünn und bläulich und ohne viel Leben in sich. Sicher war es der Fluch, der ihm die Kraft nahm, dachte Michel, und er fand es schrecklich, dass so etwas kleinen Ferkeln zustoßen konnte, die nichts Böses getan hatten.
Das fand Michels Mama auch.
»Armer Knirps«, sagte sie.
Lina hatte ein Herz für Tiere und besonders für dieses Schweinchen.
»Armes Knirpsschweinchen«, sagte sie, »es stirbt sicher bald.«
Und es wäre sicherlich gestorben, wenn Michel es nicht mit in die Küche genommen und ihm in einem Korb mit einer weichen Decke ein Lager bereitet hätte. Er gab ihm Milch aus einer Babyflasche und war in jeder Weise wie eine Mutter zu ihm.
Alfred kam herein und sah, wie sich Michel bemühte, das arme kleine Ding zu füttern, und er fragte:
»Was ist mit dem Schwein?«
»Es ist verflucht und will nicht fressen«, sagte Michel.
»Ach so. Und warum ist es so böse?«, fragte Alfred.
Aber Michel erklärte ihm, dass das Ferkel nicht böse sei, sondern schwach und elend, weil ein Fluch auf ihm läge.
»Aber den Fluch werde ich schon kleinkriegen«, versicherte Michel. »Dieses Schwein werd ich am Leben erhalten, das hab ich mir vorgenommen.«
Und wirklich, das schaffte er! Es dauerte nicht lange, bis das Schweinchen munter, zart und rund und rosig war, genau wie Ferkel sein sollen.
»Ich glaub wirklich, dass unser Knirpsschweinchen durchkommt«, sagte Lina. »Knirpsschweinchen«, sagte sie, und solange es lebte, behielt es diesen Namen.
»Ja, wirklich, der Knirps schafft es«, sagte Michels Papa. »Das hast du gut gemacht, Michel!«
Michel freute sich, wenn sein Papa ihn lobte, und er fragte vorsorglich:
»Wie oft muss ich ihm noch das Leben retten, bis ich es kriege?«
Aber darauf sagte Michels Papa nur »Hm« und sah finster aus und Michel schwieg und erwähnte das Ferkel eine Zeit lang nicht mehr.
Jetzt musste das Knirpsschweinchen wieder in den Schweinestall ziehen, aber dort wollte es nicht so gern sein. Am liebsten wollte es Michel wie ein Hund auf Schritt und Tritt folgen und Michel ließ es auch fast den ganzen Tag frei herumlaufen.
»Es glaubt bestimmt, dass du seine Mutter bist«, sagte Klein-Ida. Und vielleicht glaubte es das wirklich, denn sobald das Knirpsschweinchen Michel sah, lief es mit schrillem, jubelndem Grunzen hinter ihm her. Es wollte bei Michel sein und hatte es besonders gern, wenn er ihm den Rücken kratzte, und darin war Michel unermüdlich.
»Fürs Schweinekratzen hab ich eine gute Hand«, sagte er. Und er saß brav auf dem Schaukelbrett unter dem Kirschbaum und kratzte Knirpsschweinchen lange und gründlich und das Knirpsschwein stand da, die Augen geschlossen, und grunzte leise, um sein Wohlbehagen zu zeigen.
Sommertage kamen und Sommertage gingen, langsam wurden die Kirschen reif über Knirpsschweinchen, das dastand und gekratzt wurde. Ab und zu riss Michel eine Hand voll ab und gab sie ihm, denn Knirpsschweinchen mochte Kirschen. Und es mochte Michel. Ja, mehr und mehr wurde ihm klar, wie schön doch ein Schweineleben sein kann, wenn man an einem Ort landet, wo es einen Michel gibt.
Michel mochte das Knirpsschweinchen auch, jeden Tag mehr und mehr. Und eines Tages, als er auf dem Schaukelbrett saß und es kratzte, dachte er darüber nach, wie gern er es hatte und wen er außerdem noch gern hatte.
Zuerst kommt Alfred, dachte er, und dann Lukas und dann Ida und dicht dahinter Knirpsschweinchen …
Aber, oh – ich habe ja Mama vergessen! Klar, dass Mama … Und danach kommen Alfred und Lukas und Ida und Knirpsschweinchen.
Er zog die Augenbrauen hoch und dachte lange nach. Und dann sind da noch Papa und Lina, dachte er. O ja, an manchen Tagen mag ich Papa, aber an manchen nicht. Und Lina – ich weiß wirklich nicht, ob ich sie mag oder nicht … die kann so mitlaufen wie die Katze
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