Michelle Reid
gesehen?“
„Wofür brauchst du die?“
„Ich möchte jetzt gehen.“
„Und wie?“
„Per Taxi!“
„Besitzt du denn Geld, um den Fahrer zu bezahlen? Hast du ein Handy, um ein Taxi zu rufen? Sprichst du auch nur ein Wort Griechisch, agape mou ? Weißt du überhaupt, wo du dich befindest, sodass du dem Fahrer sagen kannst, wo er dich abholen soll?“
„D…du hast mein Handy“, erinnerte sie ihn und hasste sich für das verräterische Zittern in ihrer Stimme.
Er zuckte nur die Schultern. „Ich muss es verlegt haben, wie du deine Handtasche.“
Natasha entschied, dass die einzige sinnvolle Art, mit ihm umzugehen, darin bestand, ihn zu ignorieren. Kommentarlos begab sie sich auf die Suche nach der Tasche.
Während Leo sie aus schmalen Augen beobachtete, dachte er unwillkürlich, dass es keinen größeren Unterschied zwischen Natashas kühler Würde und Giannas unbesonnener Hemmungslosigkeit geben konnte. Gianna umklammerte ihn wie eine Schlingpflanze, und diese Frau packte ihre Koffer, um ihn zu verlassen!
„Sag mir, Natasha“, fragte er düster, „warum bist du so erpicht darauf zu gehen, wenn du doch noch vor zehn Minuten drauf und dran warst, mit mir ins Bett zu fallen?“
„Deine Frau ist hier hereingeplatzt“, murmelte sie und hob das Kissen auf dem Sessel hoch. Vielleicht hatte sich die Handtasche darunter versteckt.
„Exfrau. Und …?“
„Möglicherweise birgt ihr Anspruch auf dich eine gewisse Rechtfertigung.“
„Zum Beispiel …?“ Jede Spur des spöttischen Untertons, den er zu Beginn des Gesprächs gebraucht hatte, war jetzt aus seiner Stimme verschwunden.
„Es ist allein deine Sache, wie du dein Leben führst.“ In letzter Sekunde entschied sie sich für den feigen Ausweg und vermied die Fragen, die ihr wirklich zusetzten. Natasha warf das Kissen zurück auf den Sessel. Hier war ihre Handtasche nicht.
Schlief er immer noch mit seiner Exfrau, wenn ihm danach war? Besaß Gianna das Recht, ihm so bittere Vorwürfe zu machen, als sie ins Schlafzimmer geplatzt war? Wenn ja, dann war Leo keinen Deut besser als Rico, was den Umgang mit Frauen anging.
Schäbig, wie sie schon gesagt hatte.
„Ich habe keine Beziehung mit meiner Exfrau“, meinte Leo schließlich. „Ich schlafe nicht mit ihr, und ich will auch gar nicht mit ihr schlafen. Gianna möchte nur gerne glauben, dass ich meine Meinung ändere, wenn sie mich nur lange genug bedrängt. Falls es dir noch nicht aufgefallen ist“, fuhr er fort, als Natasha ihn ansah. „Gianna ist ein bisschen labil. In gewisser Hinsicht fühle ich mich immer noch für sie verantwortlich. Immerhin war sie einmal meine Frau. Und damals war sie mir sehr wichtig … bis sie aus Gründen, die jetzt keine Rolle spielen, auf den Selbstzerstörungsknopf gedrückt und damit das Ende unserer Ehe heraufbeschworen hat.“ Ein leiser Unterton warnte Natasha, keine weiteren Fragen zu stellen. „Es tut mir leid, dass sie hier hereingeplatzt ist und dich in Verlegenheit gebracht hat. Aber mehr werde ich dir nicht geben. Also hör endlich auf, dich wie eine hysterische Braut in ihrer Hochzeitsnacht zu benehmen und zieh die Jacke aus, bevor ich sie dir ausziehe!“
„W…was?“ Natasha blinzelte verwirrt. Es gelang ihr nicht, den plötzlichen Umschwung von Giannas Psyche zu ihrer Jacke nachzuvollziehen.
„Während du hier das arme unschuldige Opfer spielst, scheinst du das Geld vergessen zu haben, das du mir gestohlen hast!“
Das Geld.
Natasha erstarrte. Leo unterdrückte einen Fluch, weil ihr Gesichtsausdruck ihm verriet, dass sie das Geld tatsächlich ganz vergessen hatte. Dabei galt das Schimpfwort eigentlich ihm. Warum hatte er sie auch daran erinnern müssen? Viel lieber wäre ihm gewesen, das dumme Geld in der Versenkung verschwinden zu lassen.
Jetzt schaute sie ihn so blass und entsetzt an, dass er sich unwillkürlich fragte, ob sie gleich ohnmächtig werden würde.
Seufzend ging er zu ihr. Die Lippen zu einer schmalen Linie zusammengepresst, begann er, die Knöpfe an ihrer Jacke abermals zu öffnen.
Sie wehrte sich nicht einmal, stand einfach nur still wie eine Wachsfigur und ließ zu, dass er ihr das Kleidungsstück über die Schultern streifte. Ihre Bewegungslosigkeit steigerte nur seine Wut.
Leo ließ die Jacke zu Boden fallen und ging dann zu seinem Kleiderschrank. Er holte ein weißes T-Shirt heraus und zog es über den Kopf. Als er sich wieder zu Natasha umdrehte, hatte sie sich immer noch keinen Zentimeter gerührt. Sie wirkte
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