Michelle Reid
blass und verloren.
Theos , dachte er und fragte sich, warum es ihm so große Gewissensbisse versetzte, sie so niedergeschlagen zu sehen. Am liebsten wäre er wieder zu ihr gegangen und hätte sich abermals entschuldigt, weil er sich so gemein verhalten hatte.
„Dinner“, verkündete er stattdessen. Den rauen Tonfall behielt er bei. Schließlich war sie … nun ja, eine Diebin, auch wenn er das am liebsten verdrängt hätte.
Endlich bewegte sie sich, zumindest ihre blutleeren Lippen. „Ich bin nicht hungrig.“
„Du wirst mit mir essen. Seit du dich in meiner Londoner Tiefgarage übergeben hast, hast du überhaupt nichts mehr zu dir genommen.“
Er ist wieder zurück, schoss es Natasha durch den Kopf. Sie an ihr Malheur in der Garage zu erinnern, passte perfekt zu dem Leo Christakis, der stets unverblümt sagte, was er dachte. Auch wenn es unhöflich war oder andere Menschen in Verlegenheit brachte.
Ihr war nach Weinen zumute. Wie gerne hätte sie sich in eine dunkle Ecke verkrochen und …
Leo öffnete die Schlafzimmertür und wartete demonstrativ, dass sie sich zu ihm gesellte. Mit gesenktem Kopf trat sie auf ihn zu. Es hatte keinen Sinn, sich ihm zu widersetzen. Er brauchte nur das gestohlene Geld zu erwähnen, und schon war jedes Argument dahin.
Hart und rücksichtslos, nichts anderes war er. Wie hatte sie das bloß vergessen können?
Ohne ihn eines Blickes zu würdigen, ließ sie sich von ihm durch die Villa führen. Das Esszimmer wurde nur von unzähligen flackernden Kerzen erleuchtet. Eine Seite bestand, wie das Schlafzimmer, aus einer Glasfront.
Bernice legte gerade die letzten Besteckteile auf den mit einer weißen Leinendecke verhüllten Tisch. Von ihrem Stuhl aus konnte Natasha das nächtliche Athen bewundern. Ein unglaublich romantischer Anblick, bei dem die meisten Frauen dahingeschmolzen wären.
Zumindest jene, die berechtigte Hoffnungen auf ein amouröses Finale hegten.
Leo und Bernice wechselten einige Worte auf Griechisch, dann trat eine weitere Angestellte hinzu, die ihnen das Essen servierte. Insgeheim konnte Natasha sich nicht des Gefühls erwehren, Leo habe alles so arrangiert, damit kein privates Gespräch zwischen ihnen aufkam.
In der angespannten Atmosphäre fiel ihr das Essen mehr als schwer. Schließlich gab sie auf und blickte stattdessen aus dem Fenster, auf ihren Teller oder auf das Glas mit Weißwein, von dem sie nichts trank. Alles, nur um Leo nicht anschauen zu müssen.
Plötzlich – sie hatte nicht mitbekommen, dass er seine Angestellten mit einem Nicken entlassen hatte – streckte er die Hand aus und berührte gebieterisch ihre linke Brust.
„Ich wusste es“, sagte er. „Du trägst keinen BH, meine kleine Verführerin.“
Völlig außer sich, sprang Natasha auf. Leo erhob sich etwas langsamer. Seine Miene wirkte verschlossen.
„Fass mich nie wieder ohne meine Erlaubnis an“, flüsterte sie gepresst. Dann wirbelte sie herum und stürmte aus dem Zimmer.
Glücklicherweise stand der Aufzug wartend bereit. Ohne nachzudenken hastete Natasha hinein und drückte den Knopf für das Erdgeschoss. Die Tür glitt zurück.
Vor ihr erstreckte sich ein wunderschöner Garten. Der Duft von Orangen erfüllte die Luft. Sorgfältig angelegte Pfade waren von kleinen Laternen gesäumt.
Natasha hatte keine Ahnung, wohin sie flüchtete. Sie wusste nur, sie musste endlich diese dunkle Ecke finden, in die sie sich verkriechen und dann den Tränen, die sie so lange zurückgehalten hatte, freien Lauf lassen konnte.
Endlich fand sie diesen Ort: eine kleine Bank, die von den herunterhängenden Zweigen eines Baumes fast vollständig verborgen wurde. Sie setzte sich erschöpft, zog die Beine an, bettete den Kopf auf die Knie und weinte.
Natasha weinte um alles. Um alles, was sich seit heute Morgen, nachdem ihr das Bild von Rico in den Armen einer Unbekannten geschickt worden war, ereignet hatte.
Gegen einen Baumstamm gelehnt lauschte Leo ihren bitteren Tränen. Noch nie in seinem Leben war er sich so mies vorgekommen. Die Art und Weise, wie er sie den ganzen Tag behandelt hatte, war unverzeihlich.
Ihr jetzt zuhören zu müssen, war seine gerechte Strafe. Mit einem tiefen Seufzen stieß er sich von dem Stamm ab, setzte sich neben sie auf die Bank und zog Natasha auf seinen Schoß.
Eine bis zwei Sekunden kämpfte sie gegen ihn an, doch er flüsterte beruhigend: „Shh, es tut mir leid.“ Dann hielt er sie fest an sich gedrückt, bis sie die Tränen versiegt waren.
Als sie sich
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