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Mickey Haller 04 - Der fünfte Zeuge

Mickey Haller 04 - Der fünfte Zeuge

Titel: Mickey Haller 04 - Der fünfte Zeuge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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ich, werden Sie Danny Greene erzählen, dass sich Louis Opparizio wegen seines Auftritts vor Gericht keine Sorgen zu machen braucht. Sie werden ihm erzählen, dass wir nichts gegen ihn haben, dass wir nur bluffen und dass er nichts zu befürchten hat.«

37
    D onnerstag war als der Tag vorgesehen, an dem sich für die Anklage alle orchestralen Elemente zu einem gewaltigen Crescendo ineinanderfügen sollten. Seit Montagmorgen hatte Andrea Freeman den Fall bis ins Kleinste aufgerollt und dabei die Variablen und Unbekannten, wie etwa meine aufs Geratewohl erfolgten Rundumschläge und den Federal Target Letter, souverän abgeschmettert. Dazu hatte sie sich einer strategisch geschickten Kumulation von Argumenten bedient, die immer mehr Fahrt aufgenommen und unausweichlich zu diesem Tag geführt hatte. Donnerstag war der Tag, an dem die Wissenschaft zum Zug kommen sollte, der Tag, an dem sie alle Beweise und Zeugenaussagen mit dem undurchtrennbaren Band der wissenschaftlichen Fakten zu einem kompakten Paket verschnüren wollte.
    Es war eine gute Strategie, aber genau das war der Punkt, an dem ich ihren Plan auf den Kopf zu stellen plante. Im Gericht muss ein Anwalt immer drei Dinge berücksichtigen: die bekannten, die bekannten unbekannten und die unbekannten unbekannten. Unabhängig davon, ob ein Anwalt für Anklage oder Verteidigung auftritt, ist es seine Aufgabe, die ersten beiden im Griff zu haben und auf die dritten jederzeit vorbereitet zu sein. Ich hatte vor, am Donnerstag eines der unbekannten unbekannten Dinge zu werden. Ich hatte Andrea Freemans Strategie schon von weitem erkannt. Sie dagegen würde meine erst sehen, wenn sie in sie hineintappte wie in Treibsand und ihr Crescendo zum Verstummen gebracht wurde.
    Ihr erster Zeuge war Dr. Joachim Gutierrez, der Rechtsmediziner, der Mitchell Bondurants Leiche obduziert hatte. Mit Hilfe einer makabren Diashow, gegen die ich halbherzig und erfolglos Einspruch eingelegte, nahm der Arzt die Geschworenen mit auf eine Abenteuertour durch die Leiche des Opfers, in deren Verlauf er penibel jeden blauen Fleck, jede Abschürfung und jeden herausgebrochenen Zahn katalogisierte. Die meiste Zeit verwendete er natürlich darauf, auf den zwei Flachbildschirmen unter ausführlichen Erläuterungen die von den drei Schlägen mit der Mordwaffe verursachten Verletzungen zu zeigen. Er erklärte, welcher Schlag als erster erfolgt war und warum er tödlich gewesen war. Er bezeichnete die zwei nachfolgenden Schläge, die dem Opfer beigebracht wurden, als es bereits mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden lag, als Overkill und gab zu Protokoll, dass Overkill seiner Erfahrung nach auf eine ausgeprägte emotionale Komponente hindeutete. Die drei brutalen Schläge zeigten, dass der Täter persönliche Animositäten gegen das Opfer gehegt hatte. Ich hätte sowohl gegen die Frage als auch gegen die Antwort Einspruch einlegen können, aber sie kamen mir für eine Frage, die ich später stellen wollte, sehr gelegen.
    »Herr Doktor«, fragte Freeman den Rechtsmediziner, »wir haben hier drei heftige Schläge auf das Schädeldach, alle innerhalb eines Umkreises von zehn Zentimetern Durchmesser. Wie war es unter diesen Umständen möglich festzustellen, welcher Schlag als erster erfolgte und welcher der tödliche war?«
    »Das ist ein aufwendiges, aber im Prinzip recht simples Verfahren. Die Schläge haben im Schädelknochen zu zweierlei Frakturenmustern geführt. Der direkte und zugleich wirkungsvollste Aufprall erfolgte jeweils an der Stelle, an der die Waffe auftraf. Dort verursachten die Schläge eine sogenannte vertiefte Schädeldachfraktur. Einfacher ausgedrückt heißt das nichts anderes, als dass im Schädeldach eine Vertiefung oder Delle entstand.«
    »Eine Delle?«
    »Dazu müssen Sie sich im Klaren sein, dass jeder Knochen eine gewisse Elastizität hat. Bei Verletzungen wie dieser – einem gewaltsamen, traumatischen Aufprall – wird der Schädelknochen in der Form des für den Schlag verwendeten Gegenstands eingedellt, und es geschehen zwei Dinge. An der Knochenoberfläche bilden sich dadurch konzentrische Bruchlinien – sogenannte terrassierte Frakturen –, und in ihrem Mittelpunkt entsteht eine tiefe Einbuchtungsfraktur – die Delle. Auf der Innenseite des Schädeldachs verursacht diese Einbuchtung eine Fraktur, die wir Pyramidensplitter nennen. Dieser Splitter bohrt sich durch die Dura, die Hirnhaut, direkt ins Gehirn. Häufig, wie auch in diesem Fall, bricht dieser Splitter

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