Microsklaven
Unterschied zwischen einem Nerd und einem Geek?« Ich antwortete: »Das ist gar nicht so einfach. Der Unterschied ist sehr fein. Eine Sache des Instinkts. Ich glaube, in dem Wort Geek steckt eine gewissen Eignung für irgendwelche Jobs, während Nerds eher Fähigkeiten haben, die sich nicht so gut verkaufen lassen. Geek impliziert Geld.«
Susan sagte, die meisten Geeks seien auf der High-School Verlierer gewesen, die kein Leben hatten, und dann wurde Kein-Leben-Haben zum Statussymbol. »Menschen wie sie sind früher nie von der Gesellschaft belohnt worden. Heute ist all das, wofür man mit fünfzehn noch Arschtritte kassiert hätte, der letzte Schrei, solange es nur mit Geld verbunden ist. Man kann heutzutage Ferrari fahren, Rush hören, im Il Fornaio essen gehen - und dabei die ganze Zeit Dockers tragen!« Keiner wunderte sich, als Todd hinzufügte: »Wir befinden uns in der Endphase, von der Gott sagte, die Erde werde den Demütigen gehören.«
Mom sagte: »Ach Kinderl Ich glaube, ich bin einfach nicht im Loop.«
»Im Loop« zu sein ist der Ausdruck des Jahres. Schon in drei Wochen wird diese Redewendung überholt sein, wie ein Apple-Lisa-Computer. Mit der Sprache ist es wie mit der Technologie.
D en ganzen Tag lang summte Michael den Refrain des Talking-Heads-Songs Road to Nowhere. Ich bat ihn, etwas Fröhlicheres zu singen. Die Grippe-Epidemie hat uns alle ziemlich ausgelaugt. Oder weiß Michael irgendwas über F&M Software, was wir nicht wissen? Ich traue mich nicht zu fragen.
P i-Kampf! Später Nachmittag:
Es hat sich rausgestellt, daß Ethan genau wie Michael Pi bis auf 10.000 Stellen auswendig kennt, und so saßen die beiden im Habitrail und leierten Zahlenreihen herunter wie gregorianische Gesänge. In Stereo - ziemlich sakrale Atmosphäre. Alle hörten auf zu arbeiten. Wir saßen da und lauschten.
»Vier«
»Vier«
»Sieben«
»Sieben«
»Null«
»Null«
»Eins«
»Eins«
»Acht«
»Acht«
»Drei«
»Drei«
»Acht« »Acht«
»Neun« »Neun«
»Null« »Null«
»Drei« »Drei«
»Vier« »Vier«
»Eins« »Eins«
Seitdem ist Ethan in unserer kollektiven Wertschätzung beträchtlich gestiegen.
I ch muß noch sagen, daß Dad das Habitrail jeden Abend besuchen kommt, um Michaels Tang-Orangengetränkevorrat aufzufüllen und ihn mit Naschzeug zu versorgen. »Ein paar Fruchtschnitten, Michael? - ach, guck mal - da ist noch ein Stück Blaubeere übrig.« Ich sage dann: »Hi, Dad«, und er wendet sich mir halbwegs zu, ringt um Worte und grunzt: »Hi, Dan.« Doch ich schätze, ich kann noch froh sein. Dad sieht 1000% besser aus als in Redmond - was mir jetzt sehr lange her vorkommt. Allerdings kriegt er weiße Haare. Jeds Schreibtisch und Jeds Lampe stehen jetzt in Michaels Zimmer, ein Stück von meinem aus den Flur runter. Mom und Dad haben, als sie umgezogen sind, Jeds Sachen nach Palo Alto gebracht, als wäre er nur auf dem College. Ich hab' noch nicht mal meine alte Lampe bei mir. Alle anderen sind mit IKEA- und Gartenmöbeln eingerichtet. Ich merke, daß ich hier gerade um den heißen Brei herumdenke: Michael benutzt Jeds Lampe. Dad hat Jed nicht einmal erwähnt, seit Michael eingezogen ist. Vielleicht ist es das, was mich stört. Ich will es bloß nicht wahrhaben.
DIENSTAG
E twa um zwei Uhr heute nachmittag ist das Haus, das unterhalb von unserem am Berg liegt, abgebrannt. Fwuschhh! Wir gingen alle auf die Veranda hinaus und sahen zu. Dabei saßen wir auf einer umgestürzten alten Poolrutsche und tranken Kaffee. Mom packte den Wagen voll, aber Dad sagte, es könne nichts passieren, weil die Vegetation nicht trocken genug sei für »na ja, noch so einen Flächenbrand«. Ein Falkenpaar, das in der Nähe nistet, tauchte in die Rauchschwaden ein. Ich nehme an, daß dort Mäuse und andere Tiere vor dem Feuer flüchteten. Eine gedeckte Tafel für Vögel. Das erstemal, daß ich ein Haus niederbrennen sah, war, als ich zum erstenmal die Tears of a Clown- Version von The English Beat im Radio hörte, und beide Erinnerungen sind in meinem Kopf übereinandergebrannt wie ein EPROM. Erinnerungen!
S päter kauften Michael, Dad und ich im Lucky Mart an der Alma Street, einer Hauptschneise durch Palo Alto, AAA-Batterien. Hinterher winkten Michael und Dad auf dem Parkplatz dem CalTrain zu, der auf den Gleisen gen Norden kreischte, zum Bahnhof von Palo Alto. Als er vorbei war, fragte ich Michael, nur so, um ein Gesprächsthema zu haben,
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