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Microsoft Word - Pelzer, Dave - Der verlorene Sohn.doc

Microsoft Word - Pelzer, Dave - Der verlorene Sohn.doc

Titel: Microsoft Word - Pelzer, Dave - Der verlorene Sohn.doc Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: jojox
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ich unwürdig bin. Ich schubse die Box zurück zu Mark. Eine Sekunde lang gibt es für mich nichts anderes auf der Welt.
    Ich schaue in sein Herz hinein. Ich weiß, dass er mich versteht. Ohne ein Wort weiß ich, was er mir sagen will. Ich nehme die Box an mich. Ich sehe ihm tiefer in die Augen.
    »Herzlichen Dank!« Mark streicht mir mit der Hand übers Haar. Ich atme den Duft aus der Box ein.
    »So ist das Drum und Dran nun mal. Und ... halt die Ohren steif, mein Junge. Du wirst es schaffen«, sagt Mark, als ich mit meinem Preis aus der Tür marschiere. Die Pizzabox wärmt meine Hände. Draußen kriecht grauer Nebel durch die Straße, auf der das Polizeiauto parkt. Mitten auf der Straße. Ich drücke die Box eng an meine Brust. Ich spüre, wie die Pizza in der Box nach unten rutscht, als mir der Polizist die vordere Wagentür öffnet. Ich höre ein schwaches Summen von der Autoheizung auf dem Boden.
    Ich wackle mit meinen Zehen, damit ich warm werde. Ich beobachte den Polizisten, wie er zur Fahrertür um das Auto herumgeht. Er gleitet hinein, dann nimmt er ein Mikrophon auf. Eine sanfte weibliche Stimme reagiert auf seinen Anruf.

    27

    Ich wende mich ab und sehe zur Pizzabar zurück. Mark und eine Gruppe von

    Erwachsenen zittern vor Kälte, als sie zusammen draußen stehen. Als das Polizeiauto langsam wegfährt, hebt Mark seine Hand, macht damit ein Friedenszeichen und winkt mir Adieu. Nacheinander beginnen auch die anderen zu lächeln.
    Mir schnürt es die Kehle zu. Ich schmecke das Salz, als mir die Tränen die Wangen herunterlaufen. Irgendwie weiß ich, dass Mark mir fehlen wird. Ich starre auf meine Schuhe hinab und wackele mit den Zehen. Ein Zeh kommt durch ein Loch zum Vorschein.
    »Na«, sagt der Polizist, »fährst du zum ersten Mal in einem Polizeiauto? «
    »Ja, Sir«, sage ich. »Kriege ich ... äh ... ich meine, kriege ich jetzt Probleme, Sir? «
    Der Polizist lächelt. »Nein. Wir machen uns nur Sorgen. Ist schon 'n bisschen spät und du bist noch ein wenig zu jung, um ganz allein um diese Zeit noch draußen zu sein. Wie heißt du? « Ich schaue meinen dreckigen Schuh an.
    »Na, mach schon. Ist doch nichts dabei, wenn du mir deinen Namen sagst. «
    Ich räuspere mich. Ich will nicht mit dem Polizisten reden.
    Ich will mit niemandem reden. Ich weiß, dass ich jedesmal, wenn ich meinen Mund aufmache, Mutters bösen Klauen wieder einen Schritt näher komme. » Und doch«, sage ich mir, » was bleibt mir schon übrig?« Ich weiß, dass die Chance, zum Fluss zu entfliehen, vorbei ist, wenn es denn je eine Chance war. Ist mir auch egal. Solange ich nur nicht wieder zu ihr zurück muss. Nach ein paar Sekunden antworte ich dem Polizisten: »Da ... Da ... David, Sir«, stottere ich. »Ich heiße David. «

    28

    Der Polizist kichert. Ich lächle ihn an. Er sagt mir, dass ich gut aussehe. » Wie alt bist du denn? «
    »Neun, Sir. «
    »Neun? Da bist du aber noch etwas klein, nicht wahr?«

    Wir fangen an, uns zu unterhalten. Kaum zu glauben, welches Interesse der Polizist an mir hat. Ich habe das Gefühl, dass er mich wirklich gern hat. Er parkt das Auto vor der Polizeiwache und führt mich nach unten in ein leeres Zimmer. In der Mitte steht ein Billardtisch. Wir setzen uns an diesen Tisch, und der Polizist sagt: »Hey, David, willst du nicht erst mal die Pizza essen, bevor sie ganz kalt wird? «
    Ich nicke heftig. Ich reiße die Box auf. Ich beuge mich hinab und sauge den Duft ein. »Nun, David«, fragt der Polizist, »wo wohnst du denn?«
    Ich erstarre. Der Belag rutscht mir von der Pizza hinunter.
    Ich wende mich ab. Irgendwie hatte ich gehofft, er hätte vergessen, warum er mich aufgelesen hatte.
    »Na los, David, ich mache mir wirklich Sorgen um dich.«
    Er blickt mich fest an. Ich kann diesem Blick nicht ausweichen. Sachte lege ich mein Stück Pizza wieder in die Box. Der Polizist will meine Hand nehmen. Reflexartig zucke ich zurück. Ehe er es erneut versucht, starre ich ihn an. In meinem Kopf schreie ich: »Kapieren Sie's denn nicht? Mutter will mich nicht, liebt mich nicht, ich bin ihr scheißegal!
    Verstanden? Also ... wenn's Ihnen nichts ausmacht, dann lassen Sie mich jetzt bitte in Ruhe. Dann gehe ich. Okay?! «
    Der Polizist rückt seinen Stuhl vom Tisch ab, ehe er mit leiser Stimme zu sprechen beginnt: » David, ich will dir doch nur helfen. Das musst du wissen, und ich bleibe jetzt so lange bei dir, wie es nötig ist. « Er beugt sich hinüber und hebt mein Kinn mit seinem Finger an. Tränen

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