Midkemia Saga 05 - Gefährten des Blutes
dichte, schlechtgeschnittene rötlichbraune Mähne ins Gesicht. »Ich habe eigentlich nie so richtig darüber nachgedacht, Vater.«
Arutha seufzte. »Ich glaube, bei eurer Erziehung haben wir einige schwere Fehler gemacht. Als ihr beide noch kleine Jungen wart, habt ihr euch oft sehr bösartig benommen, und bei einer Gelegenheit habe ich mich sehr aufgeregt. Es war eine kleine Sache, ihr hattet ein Tintenfaß umgestoßen, allerdings dabei eine Urkunde besudelt und das Tagewerk eines Schreibers zerstört. Ich gab dir ein paar auf den Hosenboden, Borric.« Der ältere Bruder grinste bei der Erinnerung daran. Arutha erwiderte das Grinsen nicht. »Anita nahm mir noch am selben Tag das Versprechen ab, ich sollte euch nie wieder anfassen, wenn ich zornig auf euch wäre. Aber dadurch habe ich euch nur verhätschelt und euch nicht richtig auf euer späteres Leben vorbereitet.«
Erland fühlte sich peinlich berührt. Sie waren oft genug gescholten, doch selten ernsthaft bestraft worden, und – vor heute morgen – niemals körperlich.
Arutha nickte. »Ihr und ich, wir sind auf ganz verschiedene Weise erzogen worden. Euer Onkel, der König, hat den Gürtel bei mehr als einer Gelegenheit zu spüren bekommen. Ich habe nur ein einziges Mal Prügel bezogen. Eins habe ich daraufhin schnell begriffen: Wenn Vater etwas befahl, dann hatte man zu gehorchen, und zwar ohne Fragen zu stellen.« Arutha seufzte, und in diesem Seufzer lag eine Unsicherheit, die die beiden Jungen zum ersten Mal in ihrem Leben bei ihrem Vater spürten. »Wir sind alle davon ausgegangen, Prinz Randolph würde eines Tages König werden. Als er ertrunken ist, waren wir sicher, Lyam würde einen weiteren Sohn bekommen. Selbst als die Königin nur Töchter zur Welt brachte und die Hoffnungen auf einen Erben des Throns in Rillanon mehr und mehr schrumpften, haben wir nicht darüber nachgedacht, daß eines Tages du« – er stieß Borric mit dem Finger vor die Brust – »der Herrscher über dieses Volk sein würdest.«
Er sah seinen anderen Sohn an, und mit einer für ihn ungewohnten Geste langte er hinüber und legte seine Hand auf die Erlands. »Mir ist es nicht gegeben, über tiefe Gefühle zu reden, doch ihr seid meine Söhne, und ich liebe euch beide, obwohl ihr meine Geduld immer wieder auf eine harte Probe stellt.«
Beide Söhne führten sich bei dieser ungewöhnlichen Enthüllung seltsam unbehaglich. Sie liebten ihren Vater, doch genauso wie er drückten auch sie ihre Gefühle ungern so offen aus. »Wir verstehen schon«, brachte Borric als einzige Antwort hervor.
Arutha sah Borric in die Augen und fragte: »Wirklich? Versteht ihr wirklich? Dann solltet ihr wissen, von heute an seid ihr nicht mehr nur meine eigenen Söhne, Borric. Ihr seid jetzt die Söhne des Königreiches. Jeder von euch ist ein Prinz von königlichem Blut. Du sollst eines Tages König werden, Borric. Darauf mußt du dich einstellen, denn es ist so, und keine Macht der Welt kann das ändern.
Und von heute an wird euch meine Vaterliebe nicht mehr vor der Unbill des wirklichen Lebens beschützen. Wenn man König ist, hält man die Fäden in der Hand, entscheidet über Leben und Tod von Menschen. Eine einzige gedankenlose Geste kann diesen Menschen den Tod bringen, als hättet ihr die Fäden einer Marionette abgerissen.«
Zu Erland sagte er: »Zwillinge in der Thronfolge bringen oft großes Unheil mit sich und bedrohen den Frieden im Königreich.
Falls es zwischen euch einmal zu Zwistigkeiten kommen sollte, wirst du vielleicht behaupten, die Geburtsfolge wäre vertauscht worden, und viele werden sich einer solchen Forderung nach dem Thron anschließen, um ihre eigenen alten Fehden wieder aufzunehmen.
Ihr kennt beide die Geschichte von Borric dem Ersten und wie er gezwungen war, seinen Bruder, Jon den Heuchler, niederzuringen.
Und ihr habt auch davon gehört, und zwar bestimmt häufig genug, wie ich mit dem König und unserem Bruder Martin in der Gruft unserer Ahnen stand, bevor die Versammlung der Lords einberufen wurde, in der jeder von beiden berechtigte Ansprüche auf den Thron hätte erheben können. Wenn Lyam heute die Krone trägt, so hat er das Martins edler Geste zu verdanken.« Er hielt Daumen und Zeigefinger einen Zoll auseinander. »Trotzdem sind wir in jenen Tagen nur knapp von einem Bruderkrieg verschont geblieben.«
Borric fragte: »Vater, warum erzählst du uns das?«
Arutha erhob sich, seufzte und legte seinem ältesten Sohn die Hand auf die Schulter. »Weil
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