Midkemia Saga 05 - Gefährten des Blutes
deine Kindheit zu Ende ist, Borric. Du bist nicht mehr länger der Sohn des Prinzen von Krondor. Denn ich werde, sollte ich meinen Bruder überleben, zu deinen Gunsten auf den Thron verzichten.« Borric wollte protestieren, doch Arutha ließ ihn nicht zu Wort kommen. »Lyam ist ein kräftiger Mann. Vielleicht werde ich schon alt sein, wenn er stirbt, wenn ich nicht sogar vor ihm an der Reihe bin. Jedenfalls würde eine kurze Herrschaft zwischen Lyams und deiner nicht von Vorteil sein. Du wirst der nächste König der Inseln sein.«
Er wandte sich Erland zu und sagte: »Und du wirst immer im Schatten deines Bruders stehen. Für alle Zeiten wirst du einen Schritt vom Thron entfernt sein, doch niemals darauf sitzen dürfen. Man wird dich stets um Gefallen und um Stellungen bitten, doch du wirst nie selbst welche vergeben können; alle werden dich nur als Sprungbrett zu deinem Bruder ansehen. Wirst du mit diesem Schicksal fertigwerden?«
Erland zuckte mit den Schultern. »Das scheint mir gar nicht so ein schlechtes Schicksal zu sein, Vater. Ich werde Ländereien und Titel besitzen und ausreichend Verantwortung zu tragen haben, da bin ich mir sicher.«
»Noch mehr. Du wirst Borric in allen Dingen zur Seite stehen müssen, auch dann, wenn du mit seinen Entscheidungen vielleicht nicht einverstanden sein wirst. Du wirst nie öffentlich deine eigene Meinung kundtun dürfen. Das muß so sein. Und das kann ich gar nicht genug betonen. Zukünftig darfst du niemals, wirklich niemals, dem Willen des Königs in der Öffentlichkeit entgegentreten.« Er trat ein Stück zur Seite und sah sie beide abwechselnd an. »Ihr habt in eurem Leben nur Frieden kennengelernt. Die Streitigkeiten an der Grenze sind schließlich nur Kleinigkeiten.«
Erland sagte: »Für diejenigen von uns, die dort die Kämpfe gefochten haben, aber nicht! Menschen sind dabei zu Tode gekommen, Vater.«
Arutha sagte: »Ich rede von Völkern, von Dynastien, vom Schicksal ganzer Generationen. Ja, bei den Grenzstreitigkeiten sind Menschen ums Leben gekommen, damit dieses Land und sein Volk in Frieden leben können.
Doch es gab eine Zeit, als der Krieg allgegenwärtig war, als die Grenzgefechte mit Kesh jeden Monat neu aufflammten und als die queganischen Galeeren unsere Schiffe nach Belieben kaperten, als die Eindringlinge aus der Welt der Tsurani große Teile vom Lande eures Großvaters besetzt hielten – und das neun Jahre lang.
Ihr werdet viele Dinge aufgeben müssen, meine Söhne. Ihr werdet wahrscheinlich Frauen heiraten müssen, die euch wie Fremde erscheinen. Ihr werdet viele der Rechte aufgeben müssen, die für einfache Leute so selbstverständlich sind: das Recht, eine Taverne zu betreten und mit den Leuten zu trinken, das Recht, einfach aufzubrechen und in eine andere Stadt zu reisen, das Recht, aus Liebe zu heiraten und in Ruhe dabei zuzusehen, wie eure Kinder aufwachsen, ohne die Angst zu haben, sie für irgendwelche Pläne mißbrauchen zu lassen.« Er ließ seinen Blick über die Stadt schweifen und fügte hinzu: »Ihr werdet nicht das Recht haben, am Ende eines Tages mit eurer Frau zusammenzusitzen, die kleinen Dinge des Lebens zu besprechen und euch einfach wohl zu fühlen.«
Borric sagte mit belegter Stimme: »Ich glaube, ich verstehe.«
Erland nickte nur.
Arutha sagte: »Gut, denn in einer Woche brecht ihr nach Groß-Kesh auf, und von dem Moment an seid ihr die Zukunft des Königreichs.« Er machte sich zu der Treppe auf, die hinunter in den Palast führte, und blieb noch einmal stehen. »Ich wünschte, ich könnte euch das alles ersparen, doch das kann ich nicht.« Dann ging er davon.
Beide Jungen saßen eine Weile schweigend da, bis sie sich wie ein Mann umdrehten und auf den Hafen hinaussahen. Die Nachmittagssonne strahlte heiß auf sie herab, und nur die Brise vom Bitteren Meer verschaffte ihnen ein wenig Abkühlung. Im Hafen unter ihnen fuhren Boote, Last- und Stakkähne zwischen den Anlegestellen und den riesigen Segelschiffen, die in der Bucht vor Anker lagen, hin und her und beförderten Lasten und Passagiere. In der Ferne tauchten weiße Punkte auf, Handelsschiffe von der Fernen Küste, dem Königreich Queg, den Freien Städten von Yabon oder dem Kaiserreich Groß-Kesh.
Endlich löste sich die Anspannung auf Borrics Gesicht, und er grinste breit. »Kesh!«
Erland lachte. »Ja, auf ins Herz von Groß-Kesh!«
Beide lachten bei der Aussicht auf fremde Städte und Menschen, bei der Aussicht auf eine Reise in ein Land, welches als
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