Midkemia Saga 05 - Gefährten des Blutes
sich. Während er davonging, sagte er: »Tot bist du mir von geringem Nutzen, Lehrer, aber ich bin nicht gerade ein geduldiger Mann. Wenn du mir keinen Ärger machst, dann bleibst du am Leben. Bei den geringsten Schwierigkeiten bringe ich dich um und spucke auf deine Leiche.« An seine Bande gewandt, meinte er: »Steigt auf! Wir reiten nach Durbin!«
Dilemma
Erland wendete sein Pferd.
»Borric!« schrie er in den immer noch heulenden Wind.
James und die Wachen beobachteten ihn von dem Punkt aus, an dem sie standen und ihre Pferde hielten. Der neuernannte Graf schrie: »Steig vom Pferd, bevor es mit dir durchgeht!«
Das bereits nervöse Tier schnaubte und wieherte bei dem furchterregenden Getöse und den stechenden Böen des Sandsturms, obwohl es gut ausgebildet war und Erland es mit fester Hand führte.
Der Prinz beachtete James’ Befehl nicht, entfernte sich in Kreisen immer weiter von den anderen und rief den Namen seines Bruders:
»Borric!«
Gamina stand neben ihrem Ehemann und sagte: »Bei diesem pfeifenden Wind kann ich meine Aufmerksamkeit nur schlecht auf etwas Bestimmtes richten, doch aus dieser Richtung erreichen mich Gedanken.« Sie bedeckte ihr Gesicht mit dem Unterarm, drehte sich um und zeigte nach Westen.
»Borric?« fragte Locklear, der mit dem Rücken zum beißenden Wind neben James stand.
Gamina hielt den Arm hoch und schützte ihr Gesicht mit dem Ärmel ihres Kleids. »Nein. Tut mir leid. Ich kenne diese Männer nicht, und keines der Gedankenmuster, die ich berührt habe, gehörte zu Borric. Wenn ich versuchen würde, meine Aufmerksamkeit auf die Gedanken zu richten, die er während des Kampfes hatte …«
»Nichts«, beendete James ihren Satz.
»Könnte er nicht bewußtlos sein?« Auf Locklears Gesicht spiegelte sich eine schwache Hoffnung.
Gamina sagte: »Wenn er betäubt oder weiter entfernt wäre, könnte ich ihn nicht spüren. Meine Fähigkeiten werden durch die Stärke der Gedanken des anderen begrenzt. Ich kann meinen Vater über Hunderte von Meilen erreichen, und er kann zu mir sprechen, selbst wenn die unglaublichsten Entfernungen zwischen uns liegen.
Diejenigen, die uns überfallen haben, sind kaum weiter als hundert Fuß von uns entfernt; mich erreichen Bilder und vereinzelte Worte über das Gefecht.« Mit Traurigkeit in der Stimme sagte sie: »Ich kann Borric nirgends erspüren.«
James streckte die Arme nach ihr aus, und sie schmiegte sich trostsuchend an ihn. James’ Pferd wieherte, als seine Zügel sich lockerten, und James riß ungeduldig an den Riemen, um das Tier zu beruhigen. Leise, so daß nur Gamina es hören konnte, sagte er.
»Hoffentlich haben die Götter ihn am Leben gelassen.«
Eine Stunde lang hatte der Sturm weitergetobt, und Erland war in Kreisen um seine Gefährten herumgeritten – immer an der Grenze der Sichtweite – und hatte den Namen seines Bruders gerufen. Dann hatte sich der Wind beruhigt, und in der anschließenden Stille war sein heiseres Geschrei über einer verwüsteten Landschaft verhallt.
»Borric.«
Locklear machte dem Hauptmann seiner Kompanie ein Zeichen, er solle Bericht erstatten. Der Offizier sagte: »Drei Männer sind tot oder werden vermißt, mein Lord. Zwei weitere sind schwer verletzt und sollten so bald wie möglich irgendwo geschützt untergebracht werden. Der Rest ist gesund und marschbereit.«
James dachte über ihre Möglichkeiten nach, dann entschied er sich. »Du bleibst hier bei Erland, und ihr sucht die Gegend ab, aber entfernt euch nicht zu weit. Ich werde mir zwei Männer nehmen und zum ›Gasthaus zu den Zwölf Stühlen‹ reiten, wo ich diese Patrouille aus Kesh fragen werde, ob sie uns helfen, Borric zu finden.« Er warf einen Blick auf die kahle Landschaft und fügte hinzu: »Ich habe leider überhaupt keine Ahnung, wo wir mit der Suche beginnen sollen.«
In den nächsten Stunden, den ganzen frühen Nachmittag lang, mußte Locklear dauernd auf Erland einreden und ihm manchmal sogar drohen, damit sich der Prinz nicht weiter in die Ödnis hineinwagte, als es dem jungen Baron sicher erschien. Der Prinz war nicht davon abzubringen, die Suche nach seinem Bruder fortzusetzen, denn dieser konnte schließlich bewußtlos in einem Graben oder einer Schlucht liegen und Hilfe brauchen, und noch dazu womöglich nur wenige Meter von ihnen entfernt. Locklear teilte die Männer auf, damit sie die Umgebung absuchten; sie sollten jedoch stets eine Kette bilden, an deren Ende eine der Wachen immer noch in Sichtweite des
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