Midkemia Saga 06 - Des Königs Freibeuter
Affe herumklettern und Witze erzählen, bei denen Nicholas rote Ohren bekam. Hatte Amos sich zuerst noch gesorgt, das Mädchen könnte auf dem Schiff Streitigkeiten auslösen, so hatte sich diese Befürchtung nicht bewahrheitet. Das schlanke Mädchen hatte innerhalb kürzester Zeit die gesamte Mannschaft in Ersatzbrüder verwandelt, die es alle mit gleichem Entzücken mitansahen, wie sie Marcus zum Erröten brachte.
Sie blieb bei Marcus stehen. »Hallo, Hübscher. Willst du nicht mit nach unten kommen und ein paar nette Sachen lernen?«
Marcus schüttelte den Kopf, und das Blut schoß ihm in den Kopf.
»Nein. Aber ich muß trotzdem nach unten. Ich habe noch nicht zu Mittag gegessen.« Sie wollte ihm nachgehen, doch er drehte sich um und füge hinzu: »Allein!« Das Mädchen tat, als würde es schmollen, und Harry und Nicholas grinsten.
Harry fragte: »Warum mußt du ihn immer so ärgern?«
Schulterzuckend erwiderte das Mädchen: »Dann habe ich wenigstens etwas zu tun. Ansonsten ist es ziemlich langweilig.
Außerdem finde ich ihn irgendwie anziehend. Weil er so überhaupt keinen Humor hat. Er ist eine Herausforderung.«
Nicholas war glücklich, daß sie sich Marcus und nicht ihn selbst als Opfer ausgesucht hatte. Sein Cousin konnte einem wirklich leid tun, denn dieses Mädchen war eine Naturgewalt. Er betrachtete sie eingehend; auf eine jungenhafte, einfache Art war sie sogar hübsch.
Nach den ersten Tagen der Reise war er zu dem Schluß gekommen, ihre schmutzige und zerlumpte Kleidung wäre mehr List und Tücke als Vernachlässigung. Das Leben in einer Stadt wie Frihaven war gefährlich genug – ein Mädchen ohne Beschützer faßten viele Männer als reinste Einladung auf. Mit der Kleidung, die – einige Nummern zu groß – ihre Figur versteckte, und mit Dreck auf jedem Zoll sichtbarer Haut wirkte sie fast wie ein Junge und wesentlich weniger einladend.
Sie legte die Hände auf den Rücken, pfiff vor sich hin und schlenderte in Richtung der Kajütstreppe. Nicholas lachte.
»Was ist denn so lustig?« frage Harry, obwohl er die Antwort kannte.
»Ich habe nur daran gedacht, wie schnell Marcus wieder an Deck sein wird.«
»Möchte mal wissen, wie sie in anständiger Kleidung aussehen würde«, sagte Harry.
»Das habe ich mir auch gerade überlegt. Sie ist trotz des verfilzten Haars ziemlich hübsch, und sie hat wunderschöne Augen.«
»Vergißt du über sie schon Abigail?« fragte Harry.
Nicholas bekam sofort schlechte Laune. »Nein«, sagte er kühl.
»Tut mir leid. Ich habe nur Spaß gemacht.«
»War aber ein schlechter Spaß«, meinte Nicholas.
Harry seufzte. »Tut mir leid.« Dann besserte sich seine Laune wieder. »Ich habe nur überlegt, wie sie wohl in so schönen Kleidern wie denen von Margaret und Abigail aussehen würde, die die beiden bei dem letzten Empfang getragen haben, du weißt, die mit der Spitze vorn.«
Nicholas konnte nicht anders, er mußte grinsen. »Du meinst die, die vorn so weit ausgeschnitten sind, daß meine Mutter sie für unschicklich halten würde.«
Harry grinste ebenfalls. »Nun, Brisa hat einen langen schlanken Hals, und ihre Arme sind wirklich anmutig.«
»Scheint so, als wäre ich nicht der einzige, der vergessen hat, wen wir befreien wollen«, stichelte Nicholas.
Harry seufzte. »Schätze, du hast Recht. Vielleicht ist es die Langeweile. Doch außer für Brisa habe ich für kein Mädchen Augen gehabt, seit der Nacht, in der wir mit Margaret und Abigail im Garten waren.«
Nicholas nickte.
»Eine Sache stört mich allerdings« meinte Harry »Und das wäre?«
»Ich frage mich, weshalb sie sich ausgerechnet Marcus ausgesucht hat und nicht mich.«
Nicholas blickte seinen Freund an. Das hatte er nur im Spaß gesagt.
Der Ausguck rief: »Käpt’n! Männer im Wasser!«
Amos rief zurück: »In welcher Richtung?«
»Drei Strich Steuerbord!«
Amos eilte zum Bug, und als er dort ankam, versammelten sich Nicholas, Harry und die halbe Mannschaft hinter ihm. Im Wasser trieben drei Gestalten. Amos spuckte aus. »Diese Sklavenhändler«, sagte er mit mörderischer Wut. »Wenn ihre Gefangenen im Sterben liegen, werfen sie sie einfach über Bord zu den Haien.«
»Einer von ihnen lebt noch!« rief der Ausguck.
Amos drehte sich um und rief: »Laßt ein Boot zu Wasser. Macht euch bereit, den Überlebenden herauszufischen!«
Das Boot wurde hinabgelassen. Die Männer begannen auf die treibenden Gestalten zuzurudern. Der Ausguck rief: »Haie!«
Amos entdeckte eine Flosse,
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