Midnight Breed 06 - Gesandte des Zwielichts-neu-ok-16.11.11
es
wehgetan, als ich erfahren habe, was in deinem Dunklen Hafen geschehen ist.“
„Fünfzehn Opfer“, fauchte er. „Alle tot. Sogar
die Kinder.“
Schmerzerfüllt schloss Claire die Augen. „Ich
weiß, Andre. Ich habe natürlich davon gehört. Wir alle in der Region waren
entsetzt, als uns die Nachricht aus Berlin erreichte. Es war eine schreckliche,
unvorstellbare Tragödie...“
„Es war ein verdammtes Blutbad“, bellte er,
fiel ihr mit scharfer, rauer Stimme ins Wort. „Fünfzehn unschuldige Opfer,
ausgelöscht auf Wilhelm Roths Befehl. Allesamt ermordet, auf seinen Befehl wie
Hunde abgeknallt.“
„Nein, Andre.“ Verwirrt schüttelte Claire den
Kopf, erschüttert, wie er nur so etwas denken konnte. „Es gab eine Explosion.
Die Ermittler der Agentur sind zu dem Schluss gekommen, dass es ein Leck in der
Gasleitung gab. Es war ein Unfall, Andreas. Ich weiß nicht, wie du auf die Idee
kommst, dass Wilhelm...“
„Das reicht“, knurrte er. „Deine Lügen retten
deinen Gefährten auch nicht. Nichts wird ihn retten vor der gerechten Strafe,
die er verdient. Ich werde sie rächen.“
Claire schluckte schwer. Sie war nicht so naiv,
zu glauben, dass Wilhelm Roth eine schneeweiße Weste hatte. Er war kalt und
distanziert, aber nicht grausam.
Ein skrupelloser Politiker, der aus seinen
ehrgeizigen Ambitionen nie einen Hehl gemacht hatte. Aber ein Mörder? War er zu
dem fähig, dessen Andreas ihn beschuldigte? Nein, das passte nicht zusammen.
So schwer es ihr auch fiel, Claire musste sich
fragen, ob Andreas und nicht Wilhelm hier das eigentliche Monster war. Sie
brauchte nur an seinen breiten Schultern vorbeizublicken, um den Rauch und das
Feuer zu sehen, das immer noch von dem Gemetzel aufstieg, das er auf der Straße
hinterlassen hatte. Und es gab noch mehr Tod und Zerstörung in Hamburg, in dem
Dunklen Hafen, wo Wilhelm mit ein paar Verwandten und Angestellten gelebt
hatte.
Tod und Zerstörung, die dem Schicksal, das
Andreas' eigenen Dunklen Hafen vor drei Monaten ereilt hatte, ziemlich ähnlich
waren. Der Brand in Berlin war riesig gewesen, die Vernichtung gnadenlos und
vollständig. Als der Rauch sich endlich gelegt hatte, war nichts von dem
Anwesen und seinen Bewohnern übrig geblieben. Die Flammen hatten sie alle
verzehrt.
Oh Gott...
Claire starrte Andreas an, in ihrem Innersten
breitete sich Übelkeit aus, als die Hitzewellen, die von seinem Körper
ausgingen, die Luft um ihn herum zum Flirren brachten. Vielleicht gab es eine
Erklärung für das, was mit seinem Dunklen Hafen geschehen war. Vielleicht war
er irgendwie ausgerastet. War etwas geschehen, das ihn wahnsinnig gemacht und
diese erschreckende Seite in ihm zum Vorschein gebracht hatte?
„Andre, hör mir zu.“ Sie trat einen Schritt
näher an ihn heran, ihre Hände in einer ruhigen, beschwichtigenden Geste
ausgestreckt. „Ich weiß nicht, was mit dir passiert ist, aber ich will dir
helfen, wenn ich kann.“
Er knurrte einen üblen Fluch. Die Hitze, die
über seinen Körper schoss, wurde intensiver, ein beißender Geruch erfüllte die
Luft.
Claire kam noch näher, sie hoffte, dass es ihr
gelang, zu ihm durchzudringen, durch diesen Wahnsinn, der ihn gepackt hatte.
„Bitte rede mit mir.
Sag mir, wie ich dir helfen kann, und lass uns
das gemeinsam lösen. Ich bin bereit, wenn du es bist.“
Obwohl sie sich gezwungen hatte, sich ihre
Furcht nicht anmerken zu lassen, zuckte sie doch unwillkürlich zurück, als ein
knisternder Lichtschein von der Intensität eines weiß glühenden Blitzes begann,
von seinem Körper abzustrahlen. Er grunzte durch Zähne und Fänge. Seine sowieso
schon schmalen Pupillen in seinen feurigen bernsteingelben Augen zogen sich zu
winzigen vertikalen Schlitzen zusammen. Er war ein Stammesvampir, von Natur aus
ein Raubtier, doch der Vampir in ihm hatte Claire nie Angst gemacht. Es war
diese andere Seite in ihm - die Seite, von der sie nie gewusst hatte, dass er
sie überhaupt besaß, geschweige denn sie selbst gesehen hatte - , die ihr das
Blut in den Adern gefrieren ließ.
Unsicher geworden, verängstigt durch das, was
heute Nacht geschehen war, und auf der Hut vor diesem Fremden, den sie nicht
länger kannte, ging Claire einen weiteren Schritt auf ihn zu.
„Bitte, du musst wissen, dass du mir vertrauen
kannst. Lässt du mich dir helfen, Andre?“
„Verdammt, hör auf, mich so zu nennen!“
Auf seinen wütenden Aufschrei hin ging direkt
rechts von ihr ein Baum in Flammen auf. Claire warf einen nervösen
Weitere Kostenlose Bücher