Midnight Breed 06 - Gesandte des Zwielichts-neu-ok-16.11.11
Schmerz über ihre abrupte
Trennung zurückmeldete.
Das alles war lang vorbei, aber egal, was sie
damals oder jetzt für ihn empfand - sie konnte ihn nicht leiden lassen. Sie
würde ihn nicht in der Sonne liegen lassen, egal, was er getan hatte oder wozu
er geworden war in der langen Zeit, seit sie zusammen gewesen waren.
„Andre“, flüsterte Claire, und ihre Stimme
brach, als sie näher kam und erkannte, wie schlimm seine Verbrennungen waren.
„Oh Gott, Andreas... kannst du mich hören?“
Er stöhnte kaum hörbar, aber feindselig. Als
sie neben ihm in die Knie ging und die Hand ausstreckte, um ihn an der Schulter
zu berühren, bleckte er die Fänge und fauchte wie ein Tier in der Falle.
„Du musst aufstehen.“ Claire zog sich den
übergroßen Trenchcoat von den Schultern und hielt ihn hoch, damit er ihn sehen
konnte. „Ich werde dich damit zudecken, damit du vor der Sonne geschützt bist.
Aber du kannst nicht hier draußen bleiben, sonst stirbst du. Du musst aufstehen
und mit mir kommen.
Machst du das?“
Er antwortete nicht, aber er griff sie auch
nicht an, als sie vorsichtig den Mantel über seiner ungeschützten Haut
ausbreitete.
„Kannst du aufstehen?“
Finster blickte er zu ihr auf, die Lippen immer
noch verzerrt, die Zähne gebleckt. Irgendetwas war gar nicht in Ordnung mit
ihm, auch wenn er jetzt nicht mehr in Flammen stand. Seine Pupillen waren immer
noch elliptisch, hatten noch nicht wieder ihre normale Form angenommen, und
seine Iriskreise waren immer noch bernsteingelb anstelle des dunklen
Haselnussbrauns, das sie kannte.
Alle Stammesvampire verwandelten sich auf diese
Art, wenn sie Hunger hatten oder in Zeiten von gesteigerter emotionaler
Erregung, aber das hier schien irgendwie anders. Schlimmer. Claire konnte nicht
viel von seinen Dermaglyphen sehen - den kunstvollen Hautmustern, die jeder
Stammesvampir besaß-, aber die, die sie auf seinen Armen und durch die
zerrissenen Stellen seiner Kleidung erkennen konnte, sahen nicht gut aus. Ihre
Farben pulsierten zu hektisch, die wechselnden Farbschattierungen spielten
verrückt, wie nach einem inneren Kurzschluss.
„Steh auf', sagte sie, dieses Mal
entschlossener. „Du musst mit mir mitkommen, Andreas.“
Zu ihrer Überraschung gehorchte er ihr. Langsam
und schwerfällig erhob er sich vom Boden. Claire hielt ihm ihre Hand hin, als
ihm zuerst die Knie nachgaben, aber schließlich stand er auf den Füßen.
Er überragte sie selbst so noch, mit gebeugtem
Rücken und tief auf die Brust gesenktem Kopf. Claire zog ihm den Kragen des
Trenchcoats über Kopf und Nacken, um ihn vor noch mehr schädlicher UV-Strahlung
zu schützen.
„Hier lang“, sagte sie zu ihm. „Halte dich
ruhig an mir fest, wenn es nicht geht.“
Sie bemerkte, dass er nicht einmal den Versuch
machte, sie beim Wort zu nehmen. Mit einem gequälten Grunzen setzte er sich
neben ihr in Bewegung. Sie kamen im Schneckentempo voran, trotteten schweigend
aus dem Wald und über den Rasen zurück zum Herrenhaus. Als sie endlich beim
Eingang ankamen, zog Andreas die Füße nach, als wären sie aus Blei.
Claire versuchte, ihm die wenigen Stufen zur
Tür hinauf zuhelfen, aber er stieß sie zurück, als schmerzte ihre Berührung ihn
noch mehr als die Sonnenstrahlen, die durch den sich auflösenden Dunst auf ihn.
niederbrannten. Also ging sie voran und öffnete die Tür, hielt sie für ihn auf,
als er sich die Stufen hinaufschleppte. Im Foyer wäre er fast
zusammengebrochen. Er fiel auf die Knie, dann kam er stolpernd und stöhnend
wieder hoch.
„Verdammt“, knurrte er, sein Atem stieß
zwischen seinen ausgedörrten Lippen hervor. Er sah zu ihr auf, sein Gesicht
schweißüberströmt und wund von den durch das Tageslicht verursachten
Verbrennungen.
„Wohin jetzt?“
Claire zeigte ans andere Ende des Foyers.
„Unten im Keller ist es für dich wohl am angenehmsten. Als das Haus gebaut
wurde, hat Wilhelm sich da unten einen Privatraum eingerichtet, ihn aber nie
benutzt...“
Er setzte sich in Bewegung, noch bevor sie
ausgeredet hatte. Claire folgte ihm, hielt sich dicht in seiner Nähe, falls er
auf der alten Steintreppe, die ins Untergeschoss führte, Schwierigkeiten bekam.
Sie hörte sein erleichtertes Aufseufzen, als die kühle Dunkelheit ihn umgab. Er
sah auch ohne künstliches Licht, aber Claires Augen brauchten länger, um sich
an den stockfinsteren Keller zu gewöhnen. Sie knipste das Licht an und sah zu,
wie Andreas von der untersten Treppenstufe stolperte und auf dem
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