Midnight Breed 06 - Gesandte des Zwielichts-neu-ok-16.11.11
Woche, die sie zusammen in Newport
verbracht hatten, war die beste Rehabilitation gewesen, die er sich hatte
wünschen können. Er war über seine wildesten Vorstellungen hinaus zufrieden.
Und doch überkam ihn bei Tegans Anblick wieder ein brennendes Verlangen, sich
mit seinen Freunden vom Orden ins Schlachtgetümmel zu stürzen.
„Hat es weitere Hinweise auf Dragos gegeben,
seit wir vor ein paar Tagen miteinander gesprochen haben?“, erkundigte er sich.
Er konnte sich nicht vorstellen, dass der Krieger den ganzen Weg nach Rhode
Island gekommen war, nur um ihnen einen Besuch abzustatten.
„Wir gehen ein paar Spuren nach, aber der
Mistkerl scheint sich aus dem Staub gemacht und die Gegend verlassen zu haben.
Er hat offensichtlich gewusst, dass wir seinem Standort in Connecticut immer
näher kamen. Wir müssen also damit rechnen, dass er sich möglicherweise schon
seit Langem andere Ausweichquartiere geschaffen hat. Momentan setzen wir
darauf, das Netzwerk seiner Verbündeten in der Agentur auszuheben.“
„Ich tu alles, um euch zu helfen“, sagte
Reichen.
„Sagt einfach Bescheid, wofür ich gebraucht
werde.
Du weißt, dass ich dem Orden zur Verfügung
stehe.“
„Du bist bereits unbezahlbar gewesen, mein
Lieber.
Ohne dich und Claire hätten wir Dragos' Labor
womöglich nie gefunden. Jetzt haben sich viele Verdachtsmomente in Bezug auf
seine Operation bestätigt. Es ist wichtiger denn je, dass wir Dragos finden,
aber wir müssen unbedingt auch den Ältesten finden, den er die ganze Zeit
gefangen gehalten hat.
Wir haben keine Ahnung, wohin er die Kreatur
gebracht haben könnte.
Tatsache ist aber, dass irgendwo da draußen
eine Katastrophe daraufwartet, über uns hereinzubrechen.“
Reichen nickte ernst. „Klingt, als hätte der
Orden alle Hände voll zu tun, vielleicht sogar mehr als vorher.“
„Kann man wohl sagen“, stimmte Tegan zu.
„Tatsächlich sind Lucan und wir anderen in
Boston uns einig, dass wir einen Gesandten brauchen könnten, um Unterstützung
in der europäischen Vampirbevölkerung zu gewinnen. Dein Ruf in den Dunklen
Häfen und der Agentur drüben ist Gold wert. Wir brauchten jemanden mit kühlem
Kopf und guten Instinkten, der uns hilft, eigene Allianzen zu bilden und
gleichzeitig Dragos' Verbindungen in diesen Gruppen aufzuspüren. Wärst du
zufällig bereit, dein kleines Liebesnest hier in Newport zu verlassen, um ab
und an ein paar diplomatische Aufträge für uns zu erledigen?“
Reichen suchte Claires Blick. Sie hatten sich
darauf geeinigt, das Haus in Newport zu ihrem Zuhause zu machen und vielleicht
sogar schon bald eine Familie zu gründen. Er war begierig auf das Leben, das
sie zusammen planten, aber sein Pflichtgefühl und seine Loyalität dem Orden
gegenüber zerrten ebenfalls an ihm.
Sie verstand das - er konnte die Zustimmung in
ihren Augen lesen. Sie lächelte und nickte leicht. „Bei dem Tempo, das du
vorlegst, wird dich die Jongliererei mit Feuerkugeln schon nächste Woche zu
Tode langweilen. Du wirst nach neuen Herausforderungen Ausschau halten.
Vielleicht gibt es beim Orden ja für uns beide etwas zu tun“, sagte sie und
wandte sich mit fragendem Blick an Tegan.
Der Krieger lächelte. „Wir wären geehrt, wenn
wir auf euch beide zählen könnten.“
„Ich habe Deutschland ja nicht gerade im Guten
verlassen“, murmelte Reichen. „Die Agentur drüben könnte einen Flüchtigen in
mir sehen, nicht einen Freund.“
„Also“, sagte Tegan, „eigentlich giltst du doch
als tot. Letzten Sommer umgekommen bei dem Brand, der deinen Dunklen Hafen
vernichtet hat. Inzwischen sind Roth und jeder aus seinem Kreis ebenfalls tot.
Und für alle anderen bist du ein Geist,
Reichen. Das verschafft dir nur umso bessere Chancen, unsere Ziele zu verfolgen
und geheime Allianzen zu unterstützen.“
„Ein Geheimagent für den Orden?“, meinte
Reichen, dem die Idee sichtlich gefiel.
„Ich sage nicht, dass es leicht wird.
Zeitweilig wird das verdammt harte Arbeit sein und extrem gefährlich außerdem.
Glaubst du, du kriegst das hin?“
Wieder sah Reichen Claire an und fühlte sich
stärker denn je, als er in ihren sanften braunen Augen Vertrauen und
Bewunderung aufleuchten sah. „Ja“, antwortete er. „Ich denke, das kriege ich
hin.“
Mit Claire an seiner Seite, die ihn liebte und
an ihn glaubte, würde er mit allem fertig werden.
Ende
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