Midnight Man (02) – Gefährliche Mission
sie mit gekreuzten Beinen auf den dicken Holzdielen saß, den Rücken gegen die Wand gelehnt, flogen ihr die Ideen nur so zu, als brächte sie eine Vision zu Papier, die sie lange in sich getragen hatte. Als hätte sie geahnt, was für ein Bewohner auftauchen würde.
Ihr eigenes Büro und die Wohnung waren farbig und feminin, die Mieträume dagegen funktional-elegant gestaltet, fast als hätte sie John Huntington vor Augen gehabt und seine bezwingende Kraft gespürt.
Sie hatte den Funken des Wiedererkennens in seinem Blick gesehen. Da war ihr sofort klar gewesen, dass sie etwas geschaffen hatte, das zu ihm passte.
Als hätte sie geahnt, dass er einen überbreiten Lehnstuhl aus weichem, schwarzem Leder brauchte. Als hätte sie geahnt, dass ein Mann wie er weder Schnickschnack noch Kunstgegenstände um sich haben wollte – nur einen langen, puristischen Schreibtisch aus Titan und schwarzem Marmor, offene Bücherregale, einen chinesischen Teppich mit geometrischen Mustern in Creme und Petrol.
Für sein Schlafzimmer hatte sie ein breites, überlanges Bett mit einem Mahagonibetthaupt gewählt. Plötzlich sah sie ihn nackt vor sich liegen und klemmte die zitternden Oberschenkel zusammen. Unter seinem Pullover hatten sich die Brustmuskeln deutlich abgezeichnet. Bestimmt war seine Brust mit dichten schwarzen, gekräuselten Haaren überzogen, die sich nach unten hin …
Das war verrückt. Sie war verrückt.
Erschüttert setzte sich Suzanne hinter ihren Schreibtisch und versuchte, ihre Gedanken auf etwas anderes zu lenken als John Huntingtons Körper. Obwohl er wirklich umwerfend war …
Sie ballte die Fäuste und schaute ein paar Augenblicke lang auf die weißen Knöchel, dann griff sie zum Telefon und ging das Verzeichnis durch, bis sie die gesuchte Nummer fand.
»Portland Police Department«, meldete sich eine gelangweilte Stimme.
»Lieutenant Morrison bitte.«
Es klickte, und eine andere Stimme sagte: »Morddezernat.«
»Ich würde gern mit Lieutenant Morrison sprechen.«
»Bleiben Sie dran.«
Es ging dort gerade recht laut zu. Jemand kreischte, Männer riefen durcheinander, es hörte sich an wie ein Handgemenge. Dann sagte eine tiefe Stimme in den Hörer: »Morrison. Was gibt’s?«
Suzanne lächelte. Bud klang gehetzt und atemlos. »Bud, hier ist Suzanne. Ich –«
»Suzanne.« Sein Ton wurde eindringlich. »He, ist etwas nicht Ordnung? Ist Claire etwas passiert?«
»Nein, nein, nichts dergleichen.«
Bud war mit ihrer besten Freundin, Claire Parks, verlobt. Suzanne hatte ihn zweimal bei gesellschaftlichen Anlässen gesehen. Er war völlig vernarrt in seine Verlobte, aber Claire kamen allmählich Zweifel. Er sei zu machohaft, zu einschränkend, zu beschützend, meinte sie. Suzanne verstand das gut; er war der gleiche Typ wie Huntington und noch dazu dessen Freund.
»Ich rufe aus einem anderen Grund an. Mein neuer Mieter hat dich als Empfehlung genannt.«
»Also hast du endlich jemanden gefunden. Gut. Claire hat sich nämlich Sorgen gemacht, weil du in diesem Viertel ganz allein lebst, und ich offen gestanden auch. An wen vermietest du denn?«
»An einen Mann namens John Huntington, Commander John Huntington, ehemaliger Navy-Offizier. Kennst du ihn?«
»John?« Er lachte auf. »Aber sicher. Und wenn er dein neuer Mieter ist, dann hast du keine Probleme mehr, Honey.«
Oder sie fangen gerade an, dachte sie. »Kannst du mir etwas über ihn erzählen? Was für ein Mensch ist er?«
»Also, er war ein erstklassiger Soldat. Hat die Brust voller Orden.«
»Ja, das habe ich in seinen Entlassungspapieren gesehen.«
»Honey, da stehen nur die Orden drin, die man für Operationen bekommt, die der Öffentlichkeit bekannt sind. Von der anderen Sorte hat er auch einen Schrank voll, für Operationen, von denen wir nie etwas erfahren werden.«
Nie etwas erfahren werden? »Was – was für ein Soldat war er denn?«
»Ein SEAL. Spezialeinheit. Er war der Beste der Besten. Spezialist für verdeckte Operationen. Hat am besten bei Dunkelheit gearbeitet. Seine Leute nannten ihn darum Midnight Man. Er kann nachts ausgezeichnet sehen. Hat wahrscheinlich mehr Terroristen kaltgemacht, als du heiße Abendessen hattest.« Er lachte.
Suzanne lachte mit, aber voll Unbehagen. Es fiel ihr nicht im Geringsten schwer zu glauben, was Bud ihr erzählte. Diese Reglosigkeit, diese Gefährlichkeit, die er ausstrahlte, sprachen Bände. Sie hatte gerade einen sehr gefährlichen Mann in ihr Haus gelassen. Keinen einfachen Soldaten,
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