Midnight Man (02) – Gefährliche Mission
1
Portland, Oregon
21. Dezember
Sie hat Angst vor mir, dachte er.
Zu Recht.
Es war erst sieben Stunden her, da hatte er zwei Männer getötet und vier verwundet. Tod und Gewalt klebten an ihm wie ein Leichentuch. Er war noch aufgedreht vom Töten, sein Blut in Wallung.
Daher kam es vielleicht, dass er, seit er Suzanne Barrons Büro betreten hatte, an nichts anderes mehr denken konnte als sie flachzulegen.
John Huntington betrachtete Suzanne Barron in ihrem sehr eleganten Büro an ihrem sehr eleganten Schreibtisch. Sie selbst war ebenfalls elegant. Elegant, mondän und umwerfend schön. Sie hatte glatte, sahneweiße Haut, dunkelhonigblonde Haare, graue Augen wie stille Gebirgsseen. Sie schaute misstrauisch.
»Mr Huntington, Sie haben in Ihrer E-Mail nicht ausgeführt, was für ein Geschäft Sie betreiben.«
Ihrem Blick nach würde sie ihm sofort glauben, wenn er antwortete: Bärenjagd und Kannibalismus.
In der Geschäftswelt war er ein Wolf, der sich sorgfältig in den Schafspelz der Krawattenheinis kleidete – Brioni und Armani. Es dauerte eine Weile, bis man den Mann sah, der er wirklich war, und manche Leute sahen es zu spät.
Doch im Augenblick, wo er gerade aus Venezuela zurück war und das Adrenalin noch durch seinen Organismus strömte, wirkte er wie der Wolf, der er war. In schwarzer Lederjacke, schwarzem Stehkragenpullover, schwarzen Jeans und Kampfstiefeln war er keiner von den Adretten, die Ms Barron in ihrem Hause haben wollte oder sollte. Besonders da sie allein lebte; die Anzeichen dafür hatte er schon gesehen.
Sie war bereits misstrauisch und ahnte nicht einmal etwas von der S IG Sauer im Schulterholster, dem KA-BAR in der Scheide zwischen den Schulterblättern oder der 22er im Stiefelschaft, sonst hätte sie ihn wahrscheinlich schon rausgeworfen.
Sie musterte ihn. Angst verdunkelte ihre strahlenden Augen.
Er kam gerade von einem Adrenalinrausch herunter. Bei dem Auftrag in Venezuela, wo er Ölmanagern beibringen sollte, mit einer harten Welt fertig zu werden, hatte sich sehr bald ein sehr übler Zwischenfall ereignet. Eine Gruppe Terroristen der Frente de la Libertad kam aus den Bergen herab und versuchte, das gesamte Management der Western Oil Corporation auf eine Vergnügungsfahrt mitzunehmen.
Zum Glück war er vor Ort und überwältigte sie, eliminierte zwei und machte vier kampfunfähig. Die übrigen erledigte die Polizei.
Der dankbare Firmenchef schloss mit John einen Vertrag über weltweiten Schutz von Western Oil, gab ihm einen Bonus-Scheck über 300000 Dollar und ließ ihn in seinem Privatjet zurück in die Staaten bringen, pünktlich zu dem Termin mit der umwerfenden Ms Suzanne Barron.
Es wurde Zeit, sie zu überzeugen, dass er nicht gefährlich war. Er war es, aber nicht für sie.
»Ich habe eine Sicherheitsfirma, die Alpha Security International, die ich selbst leite, Ms Barron. Die Geschäftsräume befinden sich am Pioneer Square. Aber ASI expandiert, und ich brauche neue Räumlichkeiten. Hier ist reichlich Platz.«
Er sah sich in ihrem Büro um. So etwas hatte er nicht erwartet. In der Anzeige im Oregonian waren nur Größe und Lage genannt worden. Pearl war ein raues Pflaster, das nur langsam etwas aufgewertet wurde. Rings um das zweigeschossige Backsteingebäude lagen ungenutzte Grundstücke. Wenn man dagegen durch die Haustür trat, war es, als gelangte man in ein Stück Himmel.
Und die vier Räume, die sie ihm gezeigt hatte – als wären sie für ihn gestaltet worden. Groß, hohe Decken, der Geruch von neuem Holz und alten Ziegelmauern. Das war etwas anderes als der moderne Quatsch, den er in dem teuren Hochhaus am Pioneer Square gemietet hatte.
Von innen erschien das Gebäude wie ein kostbares Juwel: lauter Messing, helle Holzböden, weiche, pastellfarbene Möbel, unaufdringliche Lampen, und es duftete nach den Tannenzweigen auf dem Kaminsims und nach Orangen und Zimt.
Aus versteckten Lautsprechern klang leise Harfenmusik, als würde sie direkt aus dem Himmel übertragen.
Er hatte augenblicklich das Gefühl gehabt, nach Hause zu kommen, was für einen Mann, der nie ein Zuhause gehabt hatte, bemerkenswert war. Seine Anspannung, die noch von dem Zusammenstoß mit den Terroristen zurückgeblieben war, begann sich zu legen. Er hatte gefunden, was er ganz unbewusst immer gesucht hatte.
Genau wie die kühle, knackige Blondine, die ihn an der Tür empfangen und ihm die zarte, schmale Hand gegeben hatte. Sein ständig kampfbereiter Körper war sofort zum Sex bereit
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