Milchstraße - Geschichten von der großen Liebe (German Edition)
Mailand, wo er eine Wohnung hat.
***
„Fährst du mit mir nach Sardinien? Ich habe dort geschäftlich zu tun.“ Verliebt sage ich zu. Wir verbringen einige wunderschöne Wochen in seinem Campingbus. Dann muss ich nach New York, da ich einen Vertrag mit einer Modellagentur habe.
Anfang der 1970er Jahre ist es schwierig, zu telefonieren und die Post langsam. Ich verliere den Kontakt zu Richard. Dabei bin ich so verliebt, ich will ihn unbedingt wieder sehen. Deshalb bitte ich meine Mutter, in Mailand nachzuforschen, wo er sich aufhält. Sie erfährt, dass er in Istanbul ist. Mama findet auch den Namen seines Hotels heraus.
Obwohl es mich sehr viel Geld kostet, breche ich meinen New Yorker Vertrag und fliege praktisch mittellos zurück nach Deutschland. Von dort aus mache ich mich per Anhalter auf den Weg nach Istanbul.
Mit Herzklopfen komme ich in dem Hotel an. Ich habe Richard über drei Monate nicht gesehen und er weiß nicht, dass ich ihm nachgereist bin.
„Ja, Mr. Forester hat ungefähr zwei Monate hier gewohnt. Er ist heute Morgen abgereist.“
„Wissen Sie wohin?“
„Seine Nachsendeadresse ist Teheran.“
In einem sogenannten „Pudding-Shop“ organisiere ich mir ein Mitfahr-Ticket. Auf einfachen Pritschenwagen geht es nach Teheran. Ich übernachte mit zehn bis zwanzig Leuten in einem Raum. Jeder neue Tag ist ein Abenteuer. Ein großer Kontrast zu dem Luxus in New York. Dort hatte ich einen eigenen Chauffeur und stieg in Fünf-Sterne-Hotels ab. Ich hätte dort jeden reichen Mann haben können. Aber ich wollte Richard.
In Teheran gehe ich zu dem Hotel, in dem Richard abgestiegen sein soll. An der Rezeption erfahre ich, Richard ist einen Tag zuvor abgereist. Schon wieder bin ich zu spät!
Nun ist er nach Kabul in Afghanistan aufgebrochen.
Also suche ich mir erneut eine Mitfahrgelegenheit. Jetzt wird es wirklich wild. Keine richtigen Straßen mehr, sobald man aus Teheran hinaus fährt, nur weites Land. Zunächst komme ich bis zur Grenze. Das ist wie bei Tausendundeiner Nacht. Die Männer laufen mit Turban und Bärten herum. Die Luft ist voll von Haschischgeruch, da gerade Erntezeit ist.
In Kabul stellt sich heraus, dass Richard in dem dortigen Hotel nie angekommen ist. Jetzt bin ich in Kabul, habe keine Ahnung wo er ist und nur noch ganz wenig Geld.
In diesem Winter sind hier ungefähr fünfundzwanzig Ausländer. Ich frage herum wo es eine billige Unterkunft gibt. Dort bin ich das einzige Mädchen. Dann laufe ich durch Kabul und suche Richard. Irgendwo muss er ja sein.
Plötzlich, am zweiten Tag entdecke ich seinen VW-Bus, mit dem wir in Sardinien unterwegs waren. Ich postiere mich so lange an seinem Wagen, bis Richard auftaucht. Er sagt nur ganz cool „Oh, hallo Ulla! Was machst du hier in Kabul?“
Ich erwähne mit keinem Wort, dass ich ihn gesucht habe. „Du hast so viel vom Osten gesprochen und da dachte ich, ich besuche mal Kabul.“
„Ich habe gerade keine Zeit. Ich muss zu einer Verabredung. In welchem Hotel wohnst du?“
Mehr hat er nicht zu sagen? Eine Welt bricht in mir zusammen. Unser Wiedersehen habe ich mir ganz anders vorgestellt. Schließlich habe ich diese ganzen Strapazen auf mich genommen, um meine große Liebe zu finden! In meiner Absteige heule ich mich erst mal aus.
Eine Woche später steht Richard bei mir im Hotel und sagt: „Lass dein Gepäck hier. Pack nur ein paar Sachen für zwei Tage ein. Du kommst mit mir. Wir fahren nach Mazar-e Sharif.“
„Warum sollte ich mit dir kommen?“, frage ich erstaunt.
„Ich möchte nicht, dass du alleine hier in Kabul bist. Ich möchte ein Auge auf dich haben.“
„Du warst die ganze Zeit nicht da. Warum jetzt?“, entgegne ich.
„Ich habe auf dich aufgepasst, Kabul ist klein.“
Also fahre ich mit ihm, seinem italienischen Chef Giorgio und einer Frau in Richards Bus los. In Mazar-e Sharif teile ich mir ein Zimmer mit Richard und die andere Frau eines mit Giorgio.
Wir sind wie Freunde. Kein Flirten, keine Berührungen. Ich denke, die andere Frau ist die Freundin von Giorgio. Am nächsten Tag beim Frühstücken, die Männer sind unterwegs, sagt sie zu mir: „Dass du dir ja nichts einbildest. Das ist mein Freund, der Richard.“ Ich gucke sie an und denke „Spinnt die? Warum ist sie dann mit Giorgio in einem Zimmer und ich mit Richard?“, obwohl da überhaupt nichts läuft zwischen Richard und mir.
Wir sprechen nicht weiter darüber, auch mit Richard nicht. Aber ich leide.
Zurück in Kabul, setzen sie mich in meinem
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