Miles Flint 05 - Paloma
Kontrolle über dieses Schiff übernehme, kann Wagner es mir wegnehmen. Er kann zum Chief gehen und sie dazu bringen, ihn an Bord zu lassen, und sollte sie beschließen, dass er dort nichts zu suchen hat, womit ich allerdings nicht rechne, dann kann er sich vermutlich auch irgendeine richterliche Anordnung beschaffen. Aber gegen Sie kann er nichts tun.«
»Zumindest«, schränkte DeRicci ein, »ist so etwas noch nie versucht worden.«
»Ich glaube, wenn Sie es richtig anfangen, wird er nicht einmal erfahren, wer das Schiff in Verwahrung genommen hat. Er wird nur erfahren, dass es nicht die Polizei war.«
»Ich würde Ihnen eine Art Freigabe erteilen müssen, an Bord zu gehen«, sagte DeRicci, »damit es später kein juristisches Gerangel gibt. Das Letzte, was ich möchte, ist, dass irgendwelche Beweismittel verloren gehen, die zu einer Verurteilung hätten führen können.«
»Eins nach dem anderen«, sagte Nyquist. »Erst einmal müssen wir die Beweise haben. Ich bin nicht einmal sicher, ob das Schiff wirklich mit dem Mord zu tun hat. Ich glaube, Wagner will es, um seine Position innerhalb der Gesellschaft zu stärken, nicht, weil es irgendwelche Auswirkungen auf unsere Ermittlungen hätte.«
»Das können Sie nicht wissen«, sagte DeRicci.
»Nein, das kann ich nicht.«
»Und ich bin nicht sicher, ob er seine Position noch verbessern kann«, fuhr DeRicci fort. »Er steht schon ganz oben. Ich nehme an, er glaubt, dass es auf dem Schiff abträgliche Informationen gibt, und die will er haben, entweder, um seinerseits Material für eine Erpressung in die Hände zu kriegen, oder weil er selbst einen Schaden davontragen könnte.«
»Oder beides«, fügte Nyquist hinzu.
DeRicci studierte ihn einen Moment lang. Dann ließ sie sich auf die Couch sinken und nahm wieder die züchtige, damenhafte Haltung ein, die sie schon zuvor demonstriert hatte. Sie stand ihr nicht.
»Ich bin Justinian Wagner nie begegnet«, sagte sie. »Sagen Sie mir, ehrlich, mögen Sie ihn?«
Nyquist starrte sie an. Mögen, nicht mögen, das war normalerweise nicht von Bedeutung für die Aufklärung seiner Fälle. Manchmal aber schon. Gegen seinen Willen mochte er Miles Flint. Trotzdem würde er den Mann überführen, sollte er Palomas Mörder sein. Aber er hatte auch ein paar Regeln für ihn gebeugt.
Für Wagner würde er das nicht tun.
»Nein«, sagte Nyquist. »Ich mag ihn nicht.«
DeRicci nickte. »Wegen seines Jobs oder wegen seiner Persönlichkeit?«
»Ich bin nicht überzeugt, dass ich von seiner Persönlichkeit etwas zu sehen bekommen habe«, sagte Nyquist. »Er macht einen gezielt hintergründigen und gewollt überheblichen Eindruck.«
»Ein typischer Anwalt«, kommentierte DeRicci. »Es hat immer Gerüchte über ihn gegeben – wie er einigen der schlimmsten Verbrechern des ganzen Sonnensystems dabei geholfen habe, ihrer Strafe zu entgehen …«
»Wie es ein Verschwindedienst tut?«, hakte Nyquist nach.
»Wie es der beste Strafverteidiger des Systems tut«, entgegnete DeRicci. »Ich glaube nicht, dass er je irgendjemandem geraten hat, einen Verschwindedienst zu nutzen, obwohl ich durchaus glaube, dass er einige seiner Leute versteckt gehalten hat, noch lange, nachdem die Behörden die Suche nach ihnen aufgegeben hatten.«
Nyquist hatte die gleichen Gerüchte gehört, aber bisher hatte er nie einen Anlass gesehen, ihnen auf den Grund zu gehen. »Macht ihn das zu einem schlechten Menschen oder nur zu jemandem, der seine Arbeit gut macht?«
DeRicci zuckte mit den Schultern. »Denken Sie, er könnte seine Mutter umgebracht haben?«
Nyquist dachte an die sorgsam manikürten Hände, den teuren Anzug, die Achtsamkeit, die er jedem Detail seiner Erscheinung angedeihen ließ. So ein Mann konnte keine derartige Sauerei veranstalten. Das lag nicht in seiner Natur.
»Ich glaube nicht, dass er den Mord begangen hat«, sagte Nyquist. »Zumindest nicht mit eigener Hand. Aber ich denke, er könnte jemanden dafür angeheuert haben.«
»Auch dann müsste er Spuren hinterlassen haben«, sagte DeRicci. »Sie sagten, er hat einen Bruder.«
»Der scheinbar weniger kompetent ist«, sagte Nyquist.
»Hat sein Bruder das gesagt?«
»Das sagt die Gerüchteküche des Mondes.«
»Also könnte es der Bruder getan haben«, folgerte DeRicci.
»Ich weiß es nicht«, sagte Nyquist. »Im Moment bin ich auch weniger auf Verdächtige aus. Ich bin auf ein Motiv aus.«
DeRicci nickte. »Und Sie glauben, dass dieses Motiv auf der Lost Seas zu finden sein
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