Milliardär meines Verlangens - Ebook
Aber das waren wohl nicht die Antworten, die er erwartete.
Della wusste, dass er auf ganz bestimmte Antworten hoffte, weil er sie für eine ganz bestimmte Art von Frau hielt. Für eine Frau, die aus denselben Kreisen stammte wie er und sich darin genauso locker bewegte. Womöglich war er ein Snob, der sich angewidert abwenden würde, sobald er von ihrer wahren Herkunft erfuhr. Für ihn war sie glamourös, rätselhaft und erotisch. Er wollte mit Sicherheit nicht hören, dass sie in einem Slum aufgewachsen war, dass sie keine vernünftige Schulbildung genossen hatte, dass sie sich alles selbst beigebracht hatte, indem sie andere imitierte.
Also sagte sie: „Ja, ich bin auch zur Schule gegangen.“
Er lächelte. „Nein, ich meinte, wo du …“
„Meine Lieblingsfarbe ist Blau“, unterbrach sie ihn. „Und Meeresfrüchte sind mein Lieblingsessen. Neben der Oper“, fuhr sie fort, „ist meine größte Leidenschaft …“
Sie brach abrupt ab. Abgesehen von ihrer Opernleidenschaft hatte Della keine besonderen Interessen. Sie hatte nie die Gelegenheit gehabt, welche zu entwickeln. Nachdem sie mit achtzehn den Job bei Whitworth & Stone gefunden hatte, hatte sie sich ganz darauf konzentriert, dort auch bleiben zu können. Sie hatte Überstunden gemacht und ihre Freizeit damit verbracht, sich auf allen möglichen Gebieten fortzubilden. Sie hatte sich klassische Romane aus der Bücherei ausgeliehen und Filme angeschaut, um ihre Ausdrucksweise zu schulen. Hatte Zeitschriften studiert, um sich auch in Bezug auf Mode und Etikette wie ein gebildeter Mensch benehmen zu können. Die Oper war der einzige Luxus gewesen, den sie sich gegönnt hatte, zum einen, weil sie Opern liebte und zum anderen, weil es zu der Person passte, die sie gern sein wollte. Abgesehen davon …
Abgesehen davon gab es eigentlich nichts, was sie wirklich liebte.
„Neben der Oper …“, hakte Marcus nach.
Sie schaute ihn an und musste einen weiteren Anflug von Panik unterdrücken. Noch nie hatte sie sich so sehr als Hochstaplerin gefühlt wie jetzt. Sie hatte nichts. Zum ersten Mal, seit sie ihre Existenz in New York hatte aufgeben müssen, erkannte sie, wie schrecklich leer ihr Leben gewesen war und wie einsam sie war.
„Neben der Oper …“ Tränen schossen ihr in die Augen. Nein, bitte, nur das nicht. Nicht hier. Nicht jetzt. Nicht vor Marcus. Sie hatte nicht mehr geweint, seit sie ein Kind gewesen war. Nicht ein einziges Mal. Nicht, als in New York alles zusammengebrochen war. Nicht, als Geoffrey ihr gesagt hatte, dass sie mit ihm kommen müsste. Auch während der letzten elf Monate nicht, als sie ihr ganzes Leben jemand anderem überlassen musste. Warum jetzt? Warum hier? Warum ausgerechnet in Anwesenheit des Menschen, der sie definitiv nicht weinen sehen sollte?
Sie hob eine Hand, um ihr Gesicht zu bedecken, und sprang vom Bett auf. „Entschuldige mich“, sagte sie hastig, als sie zum Bad eilte. „Ich glaube, ich habe eine Wimper im Auge.“ Während sie schon die Tür hinter sich schloss, fügte sie noch hinzu: „Ich gehe als Erste unter die Dusche, wenn es dir recht ist.“ Nachdem sie die Dusche angestellt hatte, schnappte sie sich ein Handtuch, sank auf den Boden und presste das Handtuch auf den Mund.
Nicht weinen. Nicht weinen. Nicht weinen.
Ihre Augen wurden feucht, also drückte sie sie zu.
Nicht weinen. Nicht weinen. Nicht weinen.
Und irgendwie gelang es Della wie durch ein Wunder, die Tränen zurückzuhalten.
Kaum hatte Marcus das Zufallen der Duschkabinentür gehört, als er zur Kommode flitzte, wo Della gestern Abend ihre Handtasche abgelegt hatte. Leider war es eine winzige Abendhandtasche, in die kaum etwas hineinpasste. Aber immerhin groß genug für den Führerschein, Geld und ein Handy. Außerdem fand er noch einen Lippenstift, eine zusammenklappbare Bürste, einen einzelnen Schlüssel – einen Haustür-, keinen Autoschlüssel – und interessanterweise einen USB-Stick. Allerdings keine Kreditkarte – was ihm merkwürdig vorkam. Denn das bedeutete, dass sie gestern Abend eine nicht gerade unerhebliche Summe in bar ausgegeben haben musste. Interessant. Was das wohl zu bedeuten hatte?
Als Erstes schaute er sich den Führerschein an, der in New York ausgestellt war. Also hatte sie nicht gelogen, als sie gesagt hatte, dass sie von der Ostküste kam. Ihr vollständiger Name lautete Della Louise Hannan, und sie war dreißig Jahre alt. Genauer gesagt war sie gestern dreißig geworden, hatte also offenbar am Abend
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