Rosen des Lebens
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|5| ERSTES KAPITEL
Fünf Kugeln feuerten die Verschworenen auf den Schurken Concini ab, als er am 24. April 1617 den Louvre über die ›schlafende
Brücke‹ betrat. Die zwei ersten verfehlten ihn, die dritte traf ihn zwischen den Augen, die vierte unterm rechten Auge, die
fünfte zerriß ihm die Kehle. So konnte man – leicht übertrieben – sagen, er wurde dreimal getötet, zu Frankreichs Ruhe und
Erlösung hätte schon einmal genügt.
»Jetzt bin ich König«, war alles, was Ludwig danach sagte. Zehn Tage später, einen Tag vor Himmelfahrt, am 3. Mai um halb
drei Uhr nachmittags ging die schluchzende Maria von Medici nach Schloß Blois in die Verbannung. Mit undurchdringlichem Gesicht
sah Ludwig von einem Fenster des Louvre die Karosse seiner lieblosen Mutter davonrollen.
Meine geliebte Patin, die Herzogin von Guise, die mit ihrer Tochter, der Prinzessin Conti, zu den engsten Freundinnen der
Ex-Regentin gehört hatte, was in punkto Finanzen für sie ein Glücksfall gewesen war, erholte sich von diesem Schlag nicht
so schnell, zumal sie wußte, daß Ludwig kein großer Frauenfreund war, dazu hatte ihn seine Mutter in den sieben unheilvollen
Jahren ihrer Herrschaft zu sehr niedergehalten und gedemütigt. Und kein Sturz ist so endgültig wie ein Sturz am Hofe, denn
wer von den Höhen der Macht fällt, kann für seine graue Zukunft kaum mehr auf Freunde bauen.
Doch Madame de Guise, die unter der Regentschaft zum großen Zorn meines Vaters, des Chevaliers de La Surie und meiner selbst
ziemlich hochnäsig auf meinen armen Königssohn herabgesehen hatte – einfältig hatte sie ihn genannt, »gerade nur imstande,
seine Zinnsoldaten zu befehligen« –, entdeckte nun quasi von einem Tag auf den anderen seine Tugenden: Entschlossenheit, Kühnheit,
Umsicht und eine wahrhaft königliche Verschwiegenheit. Kurz, sie bewunderte, daß ein Knabe von fünfzehneinhalb Jahren diesen
erstaunlichen Staatsstreich ersonnen und bis zum erfolgreichen Abschluß geführt hatte.
|6| Dieses Lob wurde Ludwig an unserem Tische gezollt, denn durch einen Laufburschen, der sich morgens in unserem Haus in der
Rue du Champ Fleuri einstellte, hatte sich Madame de Guise ohne Umstände zum Mittagessen angesagt: Sie habe mir, hatte sie
ausrichten lassen, höchst wichtige Dinge mitzuteilen.
Daß sie so wichtig seien, bezweifelte ich, obwohl ich meiner Patin alle Sohnesliebe entgegenbrachte, schließlich fließt ihr
Bourbonenblut in meinen Adern. 1 Ich erwähne dies in aller Bescheidenheit , denn ein weiblicher Fehltritt auch seitens einer Prinzessin von Geblüt berechtigt niemanden, sich als wenngleich illegitimen
königlichen Abkommen zu betrachten. Was mich im übrigen wenig bekümmerte, ich fühlte mich bis ins Mark als Siorac und war
fest entschlossen, mein Fortkommen in der Gesellschaft, wie schon mein Vater, allein nur meinem Dienst für den König zu verdanken.
Vom Mieder bis zum Reifrock, vom Reifrock bis zu ihren Pantöffelchen erstrahlte Madame de Guise in blaßblauem Satin, der ihre
himmelblauen Augen in Geltung setzte. Ungeachtet der Perlen an ihrem Gewand wie der blitzenden Diamanten in ihrer Puderfrisur
war ich, wenn sie erschien, ganz Aufmerksamkeit nur für ihren bald zärtlichen, bald zornigen Blick, ihr fröhliches, melodisches
Lachen, ihren unversieglichen Appetit, ihre sprunghaften Einfälle und Aufregungen, und wie stets bewunderte ich im stillen
diese fabelhafte Gesundheit, dank derer sie nicht nur fünf Geburten überlebt hatte, sondern die ihr auch die Gebrechlichkeiten
des Alters ersparte und eine prächtige Lebenslust erhielt.
Kaum hatte sie zur Rechten meines Vaters Platz genommen, machte sie sich unverweilt über Wein und Schüsseln her, und erst
als sie gesättigt war, sprach sie. Kurioserweise, doch ganz ihrer Art gemäß eröffnete sie die Mitteilung ihrer ›höchst wichtigen
Dinge‹ damit, daß sie mich abkanzelte.
»Also, wirklich, mein Herr Patensohn!« begann sie und maß mich mit hochfahrendem Blick, »wer bin ich für Euch? Das fünfte
Rad am Wagen, wie? Spielt den Geheimniskrämer! |7| Konspiriert hinter meinem Rücken! Und gegen wen? Gegen die Königin von Frankreich!«
»Um Vergebung, Madame«, sagte mein Vater mit einem halb liebevollen, halb spöttischen Lächeln, »Maria von Medici ist die Königinmutter.
Sie ist nicht Königin von Frankreich. Dieser Titel steht allein Anna von Österreich zu.«
»Ist doch egal!«
»Oh, Madame«,
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