Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Milliardengrab (German Edition)

Milliardengrab (German Edition)

Titel: Milliardengrab (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Strassegger
Vom Netzwerk:
zahlreichen Schicksalsschlägen gezeichnete
Pflegemutter war mit ihren Nerven am Ende. Weil sie als mittellose Kriegswitwe
ohne jede Perspektive war, behandelte sie die Zwillinge oft ungewollt lieblos.
Die Leute im Dorf behaupteten, dass sie die Kinder ausschließlich wegen des
Geldes aufgenommen hatte, das der Staat für die Pflege von Kriegswaisen
bezahlte.
    Nora
sah Hans mit großen flehenden Augen an. Sie wusste, dass sie an diesem Unglück
eine große Mitschuld trug. Hans schwieg. Er wandte seine ganze Kraft auf, um
Julia im Krankenhaus zu trösten. Er selbst wurde sich nie klar darüber, ob er
Nora innerlich die Schuld an dem Unglück gab oder nicht. Er konnte den Vorfall
und die Schuldfrage nie vergessen oder verdrängen. Er sah aber auch keinen Sinn
darin, zu insistieren und die Kleine zu quälen. Täglich ging er zu Fuß mit Nora
nach Hainburg, um Julia zu besuchen. Und wenn Hans nicht konnte, weil er
arbeiten musste, ging Nora allein. Von dieser Zeit an waren die beiden nicht
nur eineiige Zwillinge - sie waren unzertrennlich und Nora schwor, ihre
Schwester nie zu verlassen solange sie lebte.
    Julia
wurde nach zwei Monaten Krankenhaus entlassen und von Hans und Nora mit
überschwänglicher Liebe empfangen. Hans heiratete seine Freundin, mit der er
jahrelang liiert war, und nahm die Zwillinge als Pflegekinder zu sich. Damit
war Hans Gruber faktisch vom Tag des tragischen Unglücks an zum Ersatzvater für
die Kinder avanciert.
    Es
gab Leute im Dorf die behaupteten, dass ein Vater seine Kinder selten so liebte
und erzog wie Hans die Zwillinge. Später kursierten noch andere Gerüchte, vor
allem, nachdem seine Frau verstorben war. Diese entbehrten jeder Grundlage.
    So
vergingen Jahre, in denen sich nie ein Vierter in die kleine Familie einklinken
konnte. Später schöpfte Hans Verdacht, dass sich zwischen den Zwillingen mehr
abspielte, als nur geschwisterliche Liebe. Doch er wusste es nicht zweifelsfrei
und so schwieg er. Sein Nesthäkchen war seit dem Unglückstag immer Julia
gewesen - und wenn sie glücklich war, dann war ihm alles andere recht.
    Julia
lernte mühsam, mit den Prothesen zu gehen. Die Stümpfe wurden immer wieder wund
und sie trug diese nur, wenn es unvermeidlich war. Ein fast unlösbares Problem
war, dass sich Julia im Wachstum befand und die Gehhilfen immer wieder den
veränderten körperlichen Bedingungen angepasst werden mussten. In der kargen
Nachkriegszeit nicht nur eine administrative, sondern auch eine finanzielle
Hürde. Nora übte viele Stunden mit ihr, und auch in der Schule wich sie nicht
von Julias Seite. Die Schwestern schliefen in einem Zimmer, lasen dieselben
Bücher, schwärmten für die gleichen Filmschauspieler und hörten dieselbe Musik.
Sie verbrachten eine unbeschwerte Kindheit und Jugend.
    Der
russische Offizier kümmerte sich ebenfalls um die beiden Waisenmädchen. Er
legte den Grundstein zu Noras beruflicher Zukunft. So wurde sie Geschäftsführerin
der Touröl Ges. mbH und schließlich Treuhänderin für die kommunistische Partei
in Wien.
    Ende
der sechziger Jahre zog Hans gemeinsam mit den Kindern ins Schloss nach
Wolfsthal, das die KPÖ vor dem Abzug der Sowjetmacht aus Österreich noch
erstanden hatte. Nora war inzwischen mit umfangreichen Vollmachten und einer führenden
Position im weitverzweigten Reich der KPÖ ausgestattet. Sie bewegte sich häufig
in der Wiener High Society. Irgendwann wurde ihr auf einer Veranstaltung in der
Industriellenvereinigung Schalck-Golodkowski vorgestellt. Sie hielt mit ihm
lockeren Kontakt. Als die SED in Berlin eine Treuhänderin in Österreich suchte,
war es Schalck, der Nora Kaindel ins Gespräch brachte. Da sie die Geschäfte
jahrelang zur Zufriedenheit von Partei und Regierung führte, stieg sie in der
Hierarchie ständig weiter auf. In der Partei engagierte sich Nora nicht
sonderlich. Sie bezahlte ihren Mitgliedsbeitrag und beließ es dabei. Irgendwann
sah Hans einen Brief der KPÖ und fragte scherzhaft, ob es jetzt vonnöten sei,
sie mit Genossin anzusprechen. Ansonsten war die Partei niemals ein Thema.
    Erst
als es Ende der 1980er Jahre in der DDR zu gären begann, wurde dieses Thema
immer öfter angesprochen und es kam zu teilweise sehr hitzigen Diskussionen
zwischen Nora einerseits, sowie Hans und Julia andererseits. Besonders Julia
wurde sich immer bewusster, welchem System sie jahrelang treu gedient hatte.
Als Nora Julia eines Tages im Zuge so eines Streitgespräches hinwarf:
    »Aber
das Geld von der Partei hast du gerne

Weitere Kostenlose Bücher